24 Wüsten-Augen-Blicke im Advent

Erst vor 4 Wochen bin ich von einer Wüstenreise zurückgekehrt und bin immer noch ganz beseelt von dieser intensiven Zeit und den vielschichtigen Erlebnissen.

Als Karawane zogen wir acht Tage durch die Steinwüste des Dahar und den Grand Erg Oriental (tunesische Sahara). Begleitet und geführt wurden wir durch meine fünf Beduinenfreunde, die viele Jahre ihres Lebens in der Wüste verbracht haben und uns ihre Lebensweise näherbringen.

Ich habe auch dieses Mal versucht, besondere Momente der Reise mit der Kameralinse einzufangen und auf diese Weise ‚Augenblicke‘ festzuhalten: die Gemeinschaft am Lagerfeuer, Musik und Tanz ums Feuer, Begegnungen mit kleinen und größeren Lebewesen, den Zug der Karawane durch die Sandmeere, das Wasserschöpfen am Brunnen, der Besuch eines Marabut, Brotbacken und die hervorragende Wüstenküche – kurz: die Lebensart der Wüstennomaden.

Für die Tage im Advent habe ich 48 fotografische Augenblicke ausgewählt und die einzelnen Fotos mit kurzen Texten und Gedanken versehen. Die Worte und Bilder nehmen uns mit in die Weiten der Sahara und lenken den Blick auf die faszinierenden Besonderheiten dieser Lebenswelt.

Mit dem Adventskalender wünsche ich uns allen eine schöne virtuelle Reise durch die Vielfalt des Wüstenlebens.  Machen wir uns auf den Weg!

Ein Bild vom Frieden

Es war einmal ein König, der schrieb einen Preis im ganzen Land aus: Er lud alle Künstlerinnen und Künstler dazu ein, den Frieden zu malen und das beste Bild sollte eine hohe Belohnung bekommen.

Alle Malerinnen und Maler im Land machten sich eifrig an die Arbeit und brachten dem König ihre Bilder. Von allen Bildern, die gemalt wurden, gefielen dem König zwei am besten. Zwischen denen musste er sich nun entscheiden.

Das erste war ein perfektes Abbild eines ruhigen Sees. Im See spiegelten sich die malerischen Berge, die den See umrandeten und man konnte jede kleine Wolke im Wasser wiederfinden. Jeder, der das Bild sah, dachte sofort an den Frieden.

Das zweite Bild war ganz anders. Auch hier waren Berge zu sehen, aber diese waren zerklüftet, rau und kahl. Am düsteren grauen Himmel über den Bergen jagten sich wütende Wolkenberge und man konnte den Regen fallen sehen, den Blitz aufzucken und auch fast schon den Donner krachen hören. An einem der Berge stürzte ein tosender Wasserfall in die Tiefe, der Bäume, Geröll und kleine Tiere mit sich riss. Keiner, der dieses Bild sah, verstand, wieso es hier um Frieden gehen sollte.

Doch der König sah hinter dem Wasserfall einen winzigen Busch, der auf der zerklüfteten Felswand wuchs. In diesem kleinen Busch hatte ein Vogel sein Nest gebaut. Dort in dem wütenden Unwetter an diesem unwirtlichen Ort saß der Muttervogel auf seinem Nest – in perfektem Frieden.

Welches Bild gewann den Preis?

Der König wählte das zweite Bild und begründete das so: „Lasst Euch nicht von schönen Bildern in die Irre führen: Frieden braucht es nicht dort, wo es keine Probleme und keine Kämpfe gibt. Wirklicher Frieden bringt Hoffnung, und heißt vor allem, auch unter schwierigsten Umständen und größten Herausforderungen, ruhig und friedlich im eigenen Herzen zu bleiben.“

(Verfasser unbekannt)

Vier Kerzen

Am Adventskranz brannten vier Kerzen. Draußen lag Schnee und es war ganz still. So still, dass man hören konnte, wie die Kerzen miteinander zu reden begannen.

Die erste Kerze seufzte und sagte: „Ich heiße FRIEDEN. Mein Licht gibt Sicherheit, doch auf der Welt gibt es so viele Kriege. Die Menschen wollen mich nicht.“ Ihr Licht wurde kleiner und kleiner und verglomm schließlich ganz.

Die zweite Kerze flackerte und sagte: „Ich heiße GLAUBEN. Aber ich fühle mich überflüssig. Die Menschen glauben an gar nichts mehr. Was macht es für einen Sinn, ob ich brenne oder nicht?“ Ein Luftzug wehte durch den Raum, und die zweite Kerze verlosch.

Leise und sehr zaghaft meldete sich nun die dritte Kerze zu Wort: „Ich heiße LIEBE. Mir fehlt die Kraft weiter zu brennen; Egoismus beherrscht die Welt. Die Menschen sehen nur sich selbst, und sie sind nicht bereit, einander glücklich zu machen.“ Und mit einem letzten Aufflackern war auch dieses Licht ausgelöscht.

Da kam ein Kind ins Zimmer. Erstaunt schaute es die Kerzen an und sagte: „Warum brennt ihr nicht? Ihr sollt doch brennen und nicht aus sein.“ Betrübt ließ es den Blick über die drei verloschenen Kerzen schweifen.

Da meldete sich die vierte Kerze zu Wort. Sie sagte:

„Sei nicht traurig, mein Kind. So lange ich brenne, können wir auch die anderen Kerzen immer wieder anzünden. Ich heiße HOFFNUNG.“

Mit einem kleinen Stück Holz nahm das Kind Licht von dieser Kerze und erweckte Frieden, Glauben und die Liebe wieder zu Leben.

Langsamkeit

Das erste Zeichen seelischer Gelassenheit ist, so meine ich,

innehalten zu können und bei sich zu verharren.

(Seneca)

Ein Sonntagspaziergang in Langsamkeit

Mache einen Spaziergang und gehe dabei halb so schnell wie gewöhnlich. Achte auf alle Details, auf die Leute und die Landschaft um dich herum.

‘Es ist immer gut, etwas Langsames zu tun,

bevor man im Leben eine wichtige Entscheidung trifft.’

(Paulo Coelho, S. 123)

Wenn es nur einmal so ganz stille wäre.

Wenn das Zufällige und Ungefähre

verstummte und das nachbarliche Lachen,

wenn das Geräusch, das meine Sinne machen,

mich nicht so sehr verhinderte am Wachen.

Dann könnte ich in einem tausendfachen

Gedanken …..

(Rainer Maria Rilke)

Träume

Die Reise, die zuvor eine Qual gewesen ist, weil du nur ankommen wolltest, beginnt sich nun in eine Freude zu verwandeln, in die Freude an der Suche und am Abenteuer. Damit nährst du etwas sehr wichtiges, nämlich deine Träume.

Ein Mensch darf nie aufhören zu träumen.

Der Traum ist für die Seele, was Nahrung für den Körper bedeutet. Wir müssen häufig in unserem Leben erfahren, wie unsere Träume zerstört und unsere Wünsche nicht erfüllt werden, dennoch dürfen wir nie aufhören zu träumen, sonst stirbt unsere Seele, und die Agape kann nicht in sie eindringen.

Der gute Kampf ist der, den wir kämpfen, weil unser Herz es so will. Der gute Kampf findet im Inneren des Menschen statt.

Der gute Kampf ist der, den wir im Namen unserer Träume führen. Wenn sie mit aller Macht in unserer Jugend aufflammen, haben wir zwar viel Mut, doch wir haben noch nicht zu kämpfen gelert. Wenn wir aber unter vielen Mühen zu kämpfen gelernt haben, hat uns der Kampfesmut verlassen. Deshalb wenden wir uns gegen uns selber und werden zu unseren schlimmsten Feinden. Wir sagen, dass unsere Träume Kindereien, zu schwierig zu verwirklichen seinen oder nur daher rührten, dass wir von den Realitäten des Lebens keine Ahnung hätten. Wir töten unsere Träume, weil wir Angst davor haben, den guten Kampf aufzunehmen.

Das erste Symptom dafür, dass wir unsere Träume töten, ist, dass wir nie Zeit haben.

Die meistbeschäftigten Menschen, die ich in meinem Leben kennen gelernt habe, waren zugleich auch die, die immer für alles Zeit hatten. Diejenigen, die nichts taten, waren immer müde, bemerkten nicht, wie wenig sie schafften, und beklagten sich ständig darüber, dass der Tag zu kurz sei. In Wahrheit hatten sie Angst davor, den guten Kampf zu kämpfen.

Das zweite Symptom dafür, dass unsere Träume tot sind, sind unsere Gewissheiten.

Weil wir das Leben nicht als ein großes Abenteuer sehen, das es zu leben gilt, glauben wir am Ende, dass wir uns in dem wenigen, was wir vom Leben erbeten haben, weise, gerecht und korrekt verhalten. Wir lugen nur über die Mauern unseres Alltags und hören das Geräusch der zerbrechenden Lanzen, riechen den Geruch von Schweiß und Pulver, sehen, wie die Krieger stürzen, blicken in ihre eroberungshungrigen Augen. Doch die Freude, die unendliche Freude im Herzen dessen, der diesen Kampf kämpft, weil für ihn weder Sieg noch die Niederlage zählt, nur der Kampf an sich, die bleibt uns fremd.

Das dritte Symptom für den Tod unserer Träume ist schließlich der Friede.

Das Leben wird zu einem einzigen Sonntagnachmittag, verlangt nichts Großes von uns, will nie mehr von uns, als wir zu geben bereit sind. Wir halten uns dann für reif, glauben, dass wir unsere kindischen Phantasien überwunden und die Erfüllung auf persönlicher und beruflicher Ebene erlangt haben. Wir reagieren überrascht, wenn jemand in unserem Alter sagt, dass er noch dies oder das vom Leben erwartet. Aber in Wahrheit, ganz tief im Inneren unseres Herzens, wissen wir, dass wir es in Wirklichkeit nur aufgegeben haben, um unsere Träume zu kämpfen, den guten Kampf zu führen.

Wenn wir auf unsere Träume verzichten und den Frieden finden, erleben wir eine kurze Zeit der Ruhe. Doch die toten Träume beginnen in uns zu verwesen, und sie verseuchen, was uns umgibt. Wir beginnen grausam zu den Menschen um uns herum zu werden, und am Ende richten wir diese Grausamkeit gegen uns selber. Dann tauchen Krankheiten und Psychosen auf. Was wir im Kampf vermeiden wollten – die Enttäuschung und die Niederlage -, wird zum einzigen Vermächtnis unserer Feigheit. Und eines schönen Tages haben die toten und verwesten Träume die Luft so verpestet, dass wir nicht mehr atmen können und nur noch den Tod ersehnen, den Tod, der uns von unseren Gewissheiten, unseren Sorgen und von diesem fürchterlichen Sonntagnachmittagsfrieden erlöst.

(Paulo Coelho)