20. Dezember

Atme den Duft der Wüstenrosen

Wir haben Rosen gepflanzt – es wurden Dornen. Der Gärtner tröstet uns – die Rosen schlafen – man muss auch seine Dornenzeit lieben. (Rose Ausländer)

In der Heiligen Nacht sprachen die Hirten zueinander: „Kommt, lasset uns nach Bethlehem gehen und sehen, was da geschehen ist.“ – Und sie machten sich eilends auf. Jeder nahm ein Geschenk mit: Butter und Honig, einen Krug Milch, Wolle vom Schaf und ein warmes Lammfell. Nur ein Hirtenknabe hatte gar nichts zum Schenken. Er suchte auf der Winterflur nach einem Blümchen. Er fand keins. Da weinte er, und die Tränen fielen auf die harte Erde. Sogleich sprossen aus den Tränen Blumen hervor, die trugen Blüten wie Rosen. Fünf Blütenblätter, zart und weiß, standen zum Kelch zusammen, daraus ein Kranz von goldenen Staubgefäßen gleich einer Krone hervorleuchtete. Voll Freude pflückte der Knabe die Blumen und brachte sie dem Kind in der Krippe. Seit der Zeit blüht die Blume jedes Jahr in der Weihnachtsnacht auf, und die Menschen nennen sie Christrose.

Die Wüste und das trockene Land soll sich freuen, die Steppe soll jubeln und blühen. Sie soll prächtig blühen, blühen wie eine Rose, jubeln soll sie, jubeln und jauchzen. (Jesaja 35, 1-2)

Die echte ‘Rose von Jericho’ (Wüstenrose) ist in den Wüstengebieten von Israel, Jordanien, auf dem Sinai und Teilen Nordafrikas beheimatet. Die ‘Rose von Jericho’, auch Hand der Fatma genannt, ist ein Moosfarn und durch die Kreuzfahrer in Europa bekannt geworden. Die wertvollen Pflanzen wurden in den Familien weitervererbt und zu Ostern und Weihnachten aufgeblüht. Sie gilt hierzulande als Glücksbringerin und erhielt den Beinahmen Auferstehungspflanze. Die Wüstenrose überlebt lange Trockenperioden durch Einrollen der Stengel und Blätter. Durch das Zusammenrollen schützt die Pflanze ihren Vegetationspunkt. Sie ist auch im zusammengerollten Zustand nicht tot sondern nur in einer Art Stasis. Bei Regen entrollt sie sich und ergrünt. Die Rose von Jericho lebt nicht ewig und nach dem Regen benötigen sie auf jeden Fall Erde oder ähnlichen Untergrund. Der Wüstenrose ist es möglich, bis zu 33 Monate Trockenheit lebendig zu überstehen, jedoch nur mit Wurzeln in der Erde.

Ein Mann war mit einer Gruppe unterwegs in der Wüste. Plötzlich brach ein Sandsturm los, so stark, dass keiner mehr den anderen erkennen konnte. Jeder war auf sich selbst gestellt. Als der Sturm nachlies, stellte der Mann fest, dass er seine Gruppe verloren hatte. Er war allein. Nichts kam ihm mehr vertraut vor. Der Sturm hatte alle Spuren verweht. Nur die Sonne war an ihrem Platz und half ihm, die Richtung zu bestimmen. Schon nach kurzer Zeit quälte ihn der Durst. Mit aller Kraft versuchte er, vorwärts zu kommen. Doch je länger er unterwegs war, um so mutloser wurde er. Sand – nichts anderes umgab ihn. Erbarmungslos brannte die Sonne auf alles Leben, das sich regte. Allmählich spürte der Mann, dass ihn seine Kräfte verließen. Wenn ich nicht bald etwas zu trinken finde, muss ich sterben, dachte er und schleppte sich weiter. Bis zum Abend fand er kein Wasser und keinen Menschen und war kurz davor, aus Verzweiflung aufzugeben. Erschöpft sank er nieder. Da spürte er neben sich eine Pflanze. Vorsichtig tastete er sie ab. Sie war ganz vertrocknet und hart. Hässlich grau ragte sie aus dem sandigen Boden. So wird es mir auch bald ergehen, dachte er. Verdorren wird alles Leben in mir. Die Pflanze zeigt mir mein Schicksal. Noch einmal wollte er sich aufraffen, doch er konnte keinen Schritt mehr gehen. Er schlief ein. Wirre Träume quälten ihn. Gegen Morgen wachte er fröstelnd auf. Die Nacht war kalt und sternenklar gewesen. Ihn fror. Wie mag es meiner Nachbarin, der Pflanze, gehen, dachte er und tastete nach ihr. Doch was war das? Sie fühlte sich ganz anders an als vorher. Erstaunt betrachtete sie der erschöpfte Mann: Die Pflanze war grün geworden und hatte Ästchen und Zweige wie eine Rose entfaltet. Der Tau der Nacht hatte dies bewirkt. Nur ein wenig Feuchtigkeit hatte so viel Leben entstehen lassen. „Gestern warst du für mich die Ankündigung des Todes“, rief der Mann. „Willst du mir heute Mut machen zum Leben?“ Vorsichtig grub er die Pflanze aus. „Du kommst mit! Immer will ich dich spüren und sehen können. Wenn ich mutlos werde, sollst du mir Hoffnung geben!“ Der Verdurstende schleppte sich mutlos weiter vorwärts, doch er gab nicht auf. Immer wieder sah er seine Pflanze an und richtete sich wieder auf. Schließlich fand ihn eine Karawane. Menschen gaben ihm zu trinken und pflegten ihn. „Ohne die Pflanze hätte ich aufgegeben“, stammelte er mit dürren Lippen. „Nur wer Hoffnung hat, kann kämpfen.“ Die Beduinen lächelten. Sie kannten die „Rose von Jericho“ und ahnten, was er sagte, obwohl sie seine Sprache nicht verstanden. Solange der Mensch nur einen Funken Hoffnung auf Leben entfachen kann, ist er bereit zu kämpfen und hat die Kraft und den Mut, größere Durststrecken zu ertragen.


Von der ‘Wüstenrose’ zu unterscheiden ist die sog. ‘Sandrose’ – ein bizarres Kristallgebilde, das meist aus Sandkörnern besteht, die in einen Kristall aus Gips eingebettet sind. Die wasserlöslichen Rosen entstehen in heißen und trockenen Wüstengebieten. Durch schnell verdunstende Oberflächenfeuchtigkeit wird Grundwasser durch Kapillarkräfte nach oben gefördert. Die im Wasser enthaltenen Mineralien kristallisieren durch die fortschreitende Verdunstung aus und bilden zusammen mit dem Sand die charakteristische, rosenförmige Kristallstruktur. Diese findet man nur in der Sahara in Nordafrika.

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