19. Dezember

In der Wüste Stille atmen und Weite trinken

‚Wann werde ich dich wieder sehen, du Zauberland, du unwiederbringliches Land des Schweigens und der Ruhe, fern von der lärmenden Welt, du Land des Traumes und der Trugbilder, das die Unruhen Europas ungerührt an sich vorüber ziehen lässt?‘ (Isabelle Eberhardt)

Im demütigen Schweigen lässt sich die innere Stimme vernehmen. Wer sich auf die Stille, auf das Innere des Lebens einlässt, vermag sich selbst zu finden. In der Konzentration auf das Wesentliche kann der Mensch dem Wesentlichen begegnen. Die Wüste ist nicht nur Schule zur Stille, sondern auch Schule zur Konzentration: Konzentration der Sinne, Konzentration auf das, was wichtig ist, auf das, was bleibt. Auf dem Weg durch die Wüste werden Worte weniger. Doch die wenigen Worte, die aus dem Schweigen erwachsen, werden wertvoll wie eine einsame Wüstenblume. Ruhe des Körpers und Stille im Geist sind die Schlüssel zum Eingang in die Seele – unserem inneren Zuhause, in dem wir voll und ganz geborgen sind, jenseits von Zweifel, Angst und Suche. Das Paradies wartet in uns. Wir brauchen es nur aufzusuchen. Muße erfordert der Weg, Geduld, viel Liebe als Reiseproviant – und absichtslose Zielbewusstheit. (Hans Kruppa)


‘Jede Nacht draußen am Rande der Unendlichkeit ist ein einmaliges Erleben, so als gäbe es die Nächte davor nicht, so als wäre ich das erste Mal hier draußen in der Leere, aus geschlossen von den Menschen und doch mitten im Leben, so sehr in meiner eigenen Mitte. Ich bin allein mit mir, mit meinem Atem und meinem Herzschlag. Die Stille anzunehmen erfordert Mut, Mut, alle falschen Stimmen in mir zum Schweigen zu bringen und nur auf das zu hören, was wirklich aus meinem Herzen kommt. Nichts ist in der Wüste selbstverständlich. Jede Wahrnehmung, auch die der eigenen Gedanken und Gefühle, fordert dich heraus. Du musst Stellung beziehen zu allem, was geschieht: zur sengenden Sonne ebenso wie zum flackernden Sternenhimmel, zu deinen Gefühlen der Freude ebenso wie zu deinen Ängsten. Aber letztlich trägt dich die Stille, sie flüstert dir zu: Lass den Dingen einfach ihren Lauf.’ (Jürgen Werner)

‚Und so gibt es auf den Straßen der Wüste lange Stunden ohne Traurigkeit, ohne Langeweile, unbestimmt und erholsam, in denen man vom Schweigen leben kann.‘ (Isabelle Eberhardt)

‘Durchqueren wir die Wüste, durchqueren wir einen Raum der Stille und Unermesslichkeit. Nichts, was den Blick ablenkt, keine flackernden Bilder, niemand, der etwas von uns fordert, außer wir von uns selbst. Und unser Schweigen entspricht dem Atem der Wüste. Die Stille umfängt uns – anfangs vielleicht bedrohlich, dann aber sickert sie ein in unsere Seele und lässt sie schließlich im Gleichklang schwingen mit der Weite und Ruhe der Landschaft. Die Wüste reduziert den Menschen auf das Wesentliche. In ihrer Monumentalität zwingt sie uns ihr Gesetz auf, nimmt uns gefangen und bietet uns doch auch die Möglichkeit zur Freiheit. Die Fremdheit der Wüste, in der sich unser Wahrnehmen und Handeln auf das Wesentliche beschränkt, ist ein Ort, der uns auf radikale Weise mit uns selbst konfrontiert. Genau darin liegt die Möglichkeit zur Freiheit.’ (Jürgen Müller)

‘Und ich erkannte, dass sie die Stille nötig hatten. Denn nur in der Stille kann die Wahrheit eines jeden Früchte ansetzen und Wurzeln schlagen. Stille des Menschen, der sich aufstützt und nach denkt. Stille, die ihn erkennen lässt. Stille, die dich bei der Entfaltung behütet. Stille des Herzens. Stille der Sinne. Stille der inneren Worte, denn es ist gut, wenn du Gott wieder findest, der die Stille im Ewigen ist. Wie baut denn das Leben jene Kraftfelder auf, von denen wir leben? Wie wenig Lärm machen die wirklichen Wunder! Wie einfach sind die wesentlichen Ereignisse! Das Erhabene bringt das Gefühl für die wirkliche Weite – doch diese ist nicht für das Auge, sie wird nur dem Geist gewährt. (Antoine de Saint-Exupery)

Vom Leben in der Stille
Wasser reinigt den Körper – die Wüste reinigt Seele und Geist. Wer in die Wüste geht, wird nicht der selbe bleiben, der er vorher war. Es gibt eine Wahrheit, die der Kopf nicht findet. Nur die Seele kann sie erspüren. Sprache, die Tochter des Kopfes, kann sie nicht sagen. Nur das Schweigen, das Kind der Seele, kann sie ausstrahlen. Der Weg zur Weisheit führt durch die Wüste.

Die Wahrheit der Wüste offenbart sich in ihrer Stille. (Nomadisches Sprichwort)

Zu einem Einsiedler kamen zwei Freunde, aus früheren Tagen. Sie baten ihn, er möge ihnen aufrichtig sagen, was er in der Wüste gewonnen habe. Er schwieg eine Weile, dann goss er Wasser in eine Schale und sagte ihnen, sie sollten hineinschauen. Das Wasser war aber noch ganz unruhig. Nach einiger Zeit ließ er sie wieder hineinschauen und sprach. ‘Seht, wie ruhig das Wasser ist.’ Und sie schauten hinein und erblickten ihr Angesicht wie in einem Spiegel. Darauf sagte er: ‘Das ist die Erfahrung der Stille. Wer sich ruhig hält, und besonders in der Einsamkeit, der wird bald sich selber sehen.’

‚Das ist mein wahres Leben, das Leben eines ungebundenen Geistes, der sich von tausend alltäglichen Zwängen befreit hat und der durstig ist nach einem Leben unter freiem Himmel und im hellen, schillernden Licht der Sonne. Solange es die wunderbare Weite der Sahara gibt, habe ich immer eine Zuflucht, wo meine geplagte Seele sich von den kleinlichen Sorgen des modernen Lebens erholen kann.’ (Isabelle Eberhardt)

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