Dort, wo der Himmel die Erde berührt

‚Gebet ist das Atemholen der Seele.‘ (J.H. Newmann)
Der Reisende folgte dem alten Beduinen zu einem unscheinbaren Hügel. Dort, mitten in der Weite, stand ein kleines, weiß getünchtes Gebäude – kaum größer als eine Hütte. Ein einfacher Ort, und doch liegt eine besondere Stille darüber.


„Hier lebte einst ein Marabout“, sagte der Beduine leise. „Ein Mensch, der die Nähe Gottes suchte.“
‚Es gibt Orte, an denen die Erde dünn wird und der Himmel näherkommt.‘ (John O’Donohue)
An den Wänden im Innern stehen Namen – eingeritzt, geschrieben, manchmal nur als Zeichen. „Wer hier vorbeikommt, hinterlässt seine Spur“, erklärte der Beduine. „Nicht um Besitz zu markieren, sondern um sich dem Leben anzuvertrauen. Die Namen sind Gebete, die die Zeit bewahrt.“

Der Reisende setzte sich in die kühle Stille. Kein Laut, nur der Wind, der durch eine Ritze strich. Er spürte, wie der Ort eine andere Sprache spricht – eine Sprache ohne Worte. Etwas Heiliges lag in der Luft, das ihn zugleich berührte und still machte.
Als sie später den Ort verlassen, fragte der Reisende: „Was ist für dich heilig?“
‚Heilige Orte sind nicht gemacht, sie werden erkannt.‘ (Antoine de Saint-Exupérx)

Der Beduine blieb einen Moment stehen. „Heilig ist, was dich still und ruhig macht“, antwortete er. „Wo dein Herz ehrfürchtig wird, ohne dass jemand es dir befiehlt. Manchmal ist das ein Ort, manchmal ein Mensch, manchmal ein Augenblick.“
‚Wer in die Wüste geht, sucht keinen Tempel aus Stein, sondern einen Tempel im Herzen.‘ (Anselm Grün)

Der Reisende nickte nachdenklich. „Dann habe auch ich heilige Orte – nur sind sie anders.“ „Jeder Mensch trägt seine eigenen“, sagte der Beduine. „Heilig wird, was du mit Achtsamkeit betrittst – der Sand, das Leben, die Liebe. Gott wohnt nicht in Mauern, sondern im Staunen.“
‚Heilige Orte sind dort, wo du dem Wesentlichen begegnest – im Sand der Wüste, im Blick eines Menschen, in der Stille deines Herzens.‘
