‘Salut Mabrouka! J’ai acheté un dromadaire pour toi! Mohamed’
Mit der typischen Präzision einer Kurzbotschaft erfahre ich es endlich: Ich bin stolze Besitzerin eines Kamels! Mohamed hat ein kleines Dromedar für mich gefunden! ‘Le Petit’ ist erst 3 Jahre alt und ist ein Hengst. Obwohl ich schon lange auf diese Nachricht warte, überstürzen sich in mir auf ein Mal unzählige Fragen und Gedanken. Es ist, als wenn sie nun erst die Erlaubnis bekommen hätten, sich in mein Bewusstsein zu schieben: ‘Mein Kamel! Ich besitze ein richtiges Dromedar!’
Zugegeben, es ist nicht das naheliegendste Haustier, dass in den europäischen Breitengraden so auf den Wunschzetteln steht. Aber seitdem mich der Wüstenvirus komplett erfasst hat, wünsche ich mir diese ‘tierische’ Herausforderung! Mit dem Leben von Beduinen der Sahara untrennbar verbunden sind Kamele wohl die am besten an das extreme Klima angepassten Gefährten von Wüstenreisenden. Sie sind Symbol, das Unmögliche möglich zu machen: Überleben in der Wüste.
Ich könnte an dieser Stelle noch weiter schwärmen von den physischen Besonderheiten und charakterlichen Eigenschaften eines Kamels, könnte das Gefühl beschreiben, wenn man sich auf ihrem Rücken schaukelnd durch die Wüstenmeere bewegt, als Teil einer Karawane, könnte berichten von ihrer beruhigend-wohltuenden Gegenwart in der Nacht am Lager, ja ich könnte noch viel berichten und erzählen von dem, was ich an diesen Tieren so bewundernswert finde, dass ich mich dazu entschlossen habe, mir selbst so ein wüstentaugliches Prachtexemplar zu kaufen.
Mit dieser SMS bin ich nun also eine ‘chamelier’ (franz. Kameltreiber) – oder muss man in diesem Fall von ‘chamelieuse’ sprechen? Keine Ahnung, aber ich merke sofort, dass sich was verändern wird in meinem Leben. So ein Kamel ist wahrlich kein Kuscheltier und ich trage als Besitzerin die volle Verantwortung für dieses reale Wesen. Das ist mir sofort bewusst.
Wie so oft im Leben konzentrierte ich mich lange auf diesen meinen großen Wunsch, malte mir aus, wie ich auf dem Rücken dieses Tieres allein durch die Weiten der Wüste reite, träumte mich hinein in die Reisebeschreibungen von Isabelle Eberhardt. Und plötzlich geht (zumindest ein Teil) des Traumes in Erfüllung und ich merke sehr konkret den Unterschied zwischen ‘träumen’ und ‘haben’. Beim Träumen kann man sich seinen Fantasien hingeben und sich gefühlsgeladen in eine ferne Wirklichkeit hineindenken. Wird der Traum zur Realität, stehen damit plötzlich ganz konkrete Fragen im Raum, die angegangen werden müssen: Wo soll das Kamel leben? Wer erzieht es? Wie soll es heißen?
Soviel steht fest: Mein Kamel wird den besten ‘chamelier’ (=Kameltreiber) von Es Sabria haben: Marsouk. Seine Art, mit den eigenwilligen Tieren umzugehen, ist mir schon bei meiner ersten Reise durch die Wüste sehr angenehm aufgefallen. Ohne ihn auf einen ‘Erziehungsstil’ festzunageln, würde ich seinen Umgang mit der Kamelcrew als ‘liebevoll sorgend’ und gleichzeitig ‘Grenzen setzend’ bezeichnen.
Wenn man je selbst versucht hat, diese ausgesprochen eigenwilligen Wüstenschiffe zu etwas zu bewegen (aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Der Wille eines Esels ist nichts dagegen!), der weiß, welche mentale Stärke dies voraussetzt. Körperlicher Einsatz ist hier kaum von Bedeutung, denn im Zweifelsfall ist das Kamel physisch sowieso weit überlegen. Nach reiflichem Abwägen war mir ziemlich schnell bewusst, dass mein berufliches Metier zwar die Pädagogik & Psychologie ist, dass ich bei möglichen Erziehungsversuchen eines Kamels jedoch mit Sicherheit schnell an meine Grenzen stoßen werde. Man könnte auch sagen: Eine wirkliche Herausforderung für eine Pädagogin!