Orientalische Prosa ist reich an Sprichwörtern und Lebensweisheiten und wenn es eine Hitparade der meistgenannten Früchte gäbe, Nummer eins gehörte der Dattel.
Unangefochten und schon seit Jahrtausenden – ist die Dattelpalme doch eine der ältesten Kulturpflanzen.
Nicht nur die bekannte süßen Früchte – botanisch gesehen handelt es sich um Beerenobst – mit ihren leicht verdaulichen und nährstoffreichen Bestandteilen machen die Dattel zum absoluten Hit für den Wüstenproviant, auch das Holz und die riesigen Palmwedel haben für die Bewohner hohen Gebrauchswert. Matten, Taschen, Säcke, Körbe, ja sogar Gurte, Seile und Nähnadeln lassen sich aus diesem Wunderbaum anfertigen. Und sollte die Dattelausbeute einmal nachlassen, so lässt sich die Pflanze anzapfen: Aus den Stümpfen der abgeschnittenen Blätter sprudelt köstlicher Palmsaft, täglich bis zu 10 Liter, der entweder getrunken oder zu Palmwein, Palmessig oder Palmzucker verarbeitet werden kann.
So eine Dattelpalme bringt es leicht auf 100 Jahre Lebensdauer, wenn sie regelmässig viel Wasser bekommt. Sie ist ein Synonym für Leben schlechthin.
Stößt der verirrte Wüstenwanderer auf diese Pflanzen, so ist er vorerst gerettet. Wasser findet er dort allemal.
Gut Ding will Weile haben und so braucht die Dattelpalme erst einmal 10 Jahre, bis sich die ersten pflaumenartigen Früchte zeigen. Danach aber kann geerntet werden, bis zu 200 Datteln pro Palme. Neben einer wertvollen Zuckerart, ähnlich der im Honig, liefert die Dattel reichlich Mineralstoffe und Vitamine. Deshalb gelten die Früchte schon seit ewigen Zeiten als Heilmittel für alles mögliche.
So berichtete im 16. Jahrhundert ein ernährungskundiger Scheich:
‘Datteln stärken den Leib, reichern das Blut an und kräftigen die Lenden.’ Und wenn ihn ein Fieber überkam, so verzehrte er sie in Milch gekocht.
Eine Dattel erzählt: ‘Ich bin ein echtes Wüstenkind, geboren in dem Palmschatten der Oasen.
Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, wie froh die ersten Nomaden waren, als sie von der sonnengewärmten Süße meiner Frucht kosteten. Doch ihr bräuchtet schon einen Zauberteppich, um diesen Geschmack selbst zu erleben. Denn zu euch komme ich entweder getrocknet, also mit etwas faltiger Haut und gewaltiger Süße oder halbfrisch – denn auch was ihr als frisch angeboten bekommt, wurde nach der Ernte erst einmal eingefroren.
Beduinen und Berber schätzen mich auch getrocknet wegen meiner langen Haltbarkeit und genießen mich morgens mit Frischkäse zum Fladenbrot wie ihr die Konfitüre mit Butter zum Brötchen. Sie wissen auch, dass ich eine sehr große Familie habe, in der manche Typen sogar zu Brot werden können und andere zu Schnaps. Köche und Bäcker vermählen mich gerne mit Reis, Geflügel, Lamm und Hackfleisch sowie Marzipan, Mandeln und Gebäck.‘
Arabisches Märchen
Durch eine Oase ging ein finsterer Mann, namens Ben Sadok. Er war so gallig in seinem Charakter, dass er nichts Gesundes und Schönes sehen konnte, ohne es zu verderben.
Am Rand der Oase stand eine junge Dattelpalme im besten Wachstum. Die stach dem finsteren Araber in die Augen. Da nahm er einen schweren Stein und legte ihn der jungen Palme mitten in die Krone. Mit einem bösen Lachen ging er nach dieser Heldentat weiter. Die junge Dattelpalme schüttelte sich und bog sich und versuchte, die Last abzuschütteln, vergebens. Zu fest saß der Stein in ihrer Krone.
Da krallte sich der junge Baum tiefer in den Boden und stemmte sich gegen die Last.
Er senkte seine Wurzeln so tief, dass sie die verborgene Wasserader der Oase erreichten, und stemmte den Stein so hoch, dass die Krone über jeden Schatten hinausreichte. Wasser aus der Tiefe und Sonnenglut aus der Höhe machten eine königliche Dattelpalme aus dem jungen Baum.
Nach Jahren kam Ben Sadok wieder, um sich an dem Krüppelbaum zu freuen, den er verdorben hatte. Er suchte vergebens. Da senkte die stolzeste Palme ihre Krone, zeigte den Stein und sagte:
‘Ben Sadok, ich muss dir danken, deine Last hat mich stark gemacht!’