Azouz und Edira – erzählt mir von eurem Leben hier in der Wüste! Erzählt, was für euch wichtig ist, was euch zum Lachen bringt und wo der Ernst des Lebens euch begegnet. Wo andere Kinder in Europa über ihren Mathebüchern brüten, geht ihr in die Schule des Über-Lebens. Ihr hütet eure Geschwister, die Schafe und Esel und geht den Eltern schon lange bei ihrer Arbeit zur Hand. Ihr lebt ein Leben ohne ‚Netz und doppelten Boden‘ in der Wüste, in einem Lebensraum, der gleichzeitig schön und grausam sein kann.
Gleichzeitigkeit
Wir können gleichzeitig glücklich und unglücklich sein.
Meistens ist es einfach so.
Und wir dürfen uns beides erlauben.
Mitten in der Trauer erleben wir:
Es gibt Grund zum Freuen. Wir lachen sogar.
Dann ist es fast so, als dürften wir das nicht.
Als würde von uns erwartet, dass wir unglücklich sind.
Als wüssten unsere Umgebung und die Gesellschaft, was wir fühlen sollen.
Und umgekehrt, mitten im Glück erleben wir:
Wir leben in Frieden und Freiheit. Sind satt. Und trotzdem manchmal tief traurig.
Nicht nur zornig über die weltweite Ungerechtigkeit.
Die Hilflosigkeit der Institutionen.
Sondern einfach unglücklich.
Melancholisch, schwermütig, verzweifelt.
Wir leiden nicht, aber wir sind diese Welt so leid.
Auch dann ist es fast so, als dürften wir das nicht.
Als müssten wir fröhlicher sein.
Gleichzeitig glücklich und unglücklich.
Wir dürfen uns beides erlauben.
(Christian Brudereck)