Seit Jahrtausenden werden in den Religionen Perlenketten zum Gebet und zur Meditation verwendet.
Mysterium und Magie – in den religiösen Vorstellungen zu Gebetsketten mischt sich vieles. In der schamanistischen Praxis von Naturvölkern etwa waren Perlenschnüre aus kleinen Knochen als Amulett beliebt.
Die heutige Form des katholischen Rosenkranzes entstand im 16. Jahrhundert. Sein lateinischer Name war ’numeralis‘, was einen Hinweis darauf gibt, dass die 170 Perlen Zählhilfen für Gebete sind.
„Eintausend Jahre verbrachte der Gott Shiva in tiefer Meditation, um für die Sünden der Menschheit Buße zu tun. Als er aus der Versenkung erwachte und das Leid der irdischen Lebewesen erkannte, weinte er bitterlich. Einige seiner Tränen fielen auf die Erde und verwandelten sich in Saatkörner. Bald darauf wuchs an dieser Stelle der erste Rudraksha-Baum.“
Diese Legende über die göttlichen Tränen ist uralt. Sie hat die getrockneten Samenkapseln des Rudraksha-Baums so beliebt gemacht: als Perlen für die Gebetsketten der Hindus. In den kleinen Früchten des tropischen Baums verbergen sich sämtliche Geheimnisse des Kosmos, glauben Hindus. Um die Mala-Perlen herzustellen, ist im Hinduismus jedes Material geheiligt, seien es Samen, Steine oder Sandelholzperlen. Eine Mala besteht aus 108 Perlen und einer Meru-Perle (mythischer Berg).
Die buddhistische Mala hat 108 Perlen, plus eine Guru-Perle und eine Quaste. Die Perlenreihe kann durch Perlen anderer Materialien unterbrochen werden und symbolisieren verschiedene Meditationsobjekte wie die Anzahl der irdischen Wünsche, die 108 Bücher der buddhistischen Lehre oder mantrische Texte.
Viele Muslime vertiefen ihre Kontemplation mit dem Tasbih, einer Gebetsschnur mit 99 Perlen. Diese stehen für die 99 Namen Gottes und gleiten beim Gebet durch die Hände der Gläubigen. Mit dem Abzählen werden die Namen Gottes und seine 99 Tugenden rezitiert. Der hundertste, geheime Name Gottes kann erst im Paradies gefunden werden.
Die Wüstenväter waren bemüht, dieses immerwährende Gebet zu sprechen; nach Paulus: ‚So betet ohne Unterlass!‘ Und haben sich dann auch Gebetsketten zugelegt. Und die waren noch keine Rosenkränze, sondern es war, was sie so kannten aus Ägypten oder Asien: Malas.
Der griechisch-orthodoxe Komboloi wird nicht mehr in erster Linie als religiöser, sondern als kultureller Gegenstand angesehen. Hier handelt es sich um Perlenketten zur Abwehr von Gefahren oder Sorgen (16 bis 20 Perlen).
Der Perlenkranz kann im Advent dazu einladen, innezuhalten und sich mit jedem Perlenimpuls auf zentrale Aspekte des Lebens einzulassen. Jede der 24 Adventsperlen hat ihre eigene Bedeutung – jede stellt ihre eigene Frage. Bei der Auswahl der Themen ließ ich mich von den zuvor beschriebenen religiösen Traditionen inspirieren. Dabei habe ich festgestellt, dass es zwischen den Religionen viele übergreifende Weisheiten gibt – Fragen und Antworten, die alle Menschen, gleich welchen Glaubens, betreffen.
24 Mal kann der Perlenkranz im Advent einen Impuls zum Innehalten und Nachdenken geben: Was ist wichtig im Leben? Was schenkt mir Glück? Worauf liegt der Fokus in meinem Leben? Bin ich da, wo ich sein will?
Im Adventskalender wird das Thema jeder einzelnen Perle knapp umrissen und so nehmen die Perlen uns mit auf eine Reise durch den Advent. Das ist nicht unbedingt eine leichte Reise und vielleicht geht manche Lebensweisheit der Perlen an uns vorbei und erreicht uns nicht. Das macht nichts, denn die Perlen stellen keine Ansprüche.
In diesem Sinne wünsche ich euch eine besinnliche Adventszeit!