Für Gäste wird im Orient alles getan:
Eine Trutzburg wird zum offenen Haus, eine Hütte zum Palast, Fremde werden zu Freunden, Feinde zu Brüdern. Und das wichtigste bei dieser Gastfreundschaft ist: ein Gast, der freundlich ist.
Es gibt im Orient viele Sitten und Bräuche, die sich von Land zu Land stark unterscheiden. Ein gemeinsamer Nenner ist die Gastfreundschaft. Sie ist eine alte Tradition und die Schriften des Propheten und seiner Nachfolger sind voll von Anweisungen, wie man einen Gast zu behandeln hat. Das ging so weit, dass es heilige Pflicht eines jeden Gläubigen war, stets beste Speisen vorrätig zu halten: Es könnte ja sein, dass ein Bruder plötzlich vor der Türe steht und Einlass begehrt.
Auch heute noch ist es für viele Einheimische üblich, jeden Fremden, der die Schwelle seines Hauses überschreitet, auch ausgiebig zu bewirten – eine Ablehnung wäre eine Beleidigung.
Für einen Gast darf es nie zu wenig und kann es nie zu teuer sein – gehe daher mit Demut in das Haus. Denke selbst wie ein Gastgeber, vor allem wenn du als Gast etwas wünschst – und schweige dann eher. Es wird auch so jeder Wunsch von deinen Augen abgelesen. Weiterhin ist es selbstverständlich, dass der Hausherr seinem Gast stets die besten Stücke reicht, wobei solche Vorschriften vor allem noch bei den Nomaden befolgt werden. Ein wenig dieses Geistes von damals ist jedoch erhalten geblieben:
Die Wünsche des Gastes genießen auch heute noch absolute Priorität in den orientalischen Ländern.
Und wer schon etwas erfahren ist, der kommt nicht pünktlich, denn damit rechnet niemand – es kann sogar als unhöflich gelten, da es den Plan der orientalischen Gastfreundschaft durcheinander bringt. Dennoch ist im Koran zu lesen,
dass man jeden Gast, ob angemeldet oder nicht, ob pünktlich, höflich, verwandt, bekannt oder nicht, als ‘Freund Gottes’ in sein Haus lässt und ihm gibt, was man hat – mindestens.
Ein traditioneller Besuch: Begrüße den Hausherren als erstes mit offenen Armen, Handschlag und einem ‘Salam aleikum’, frage von Herzen nach seiner Familie und seinen Kindern.
Wenn du etwas mitbringen willst, dann bitte keine Blumen für die Frau und schon gar keinen Wein. Besser sind da Süßigkeiten und kleine Geschenke für die Kinder – am besten etwas Schönes aus deinem Land. Begrüße dann die ältesten Männer und höre bei jedem einzelnen, wie es ihm geht. Während man sich nach der Familie erkundigt und im Gegenzug von der Heimat erzählt (nur Gutes!), geht es langsam in Richtung Diwan, wo in der Ecke schon ein Tablett-Tisch auf uns wartet. Der Gastgeber wird uns seinen besten Platz zuweisen und man sollte beim Sitzen darauf achten, dass man unsere Fußsohlen nicht sehen kann.
Mit dem Wort ‘Bismillah’ (im Namen Allahs) eröffnet der gläubige Hausherr das Gastmahl, alle anderen antworten ebenso. Dann bricht er das Brot und reicht es zuerst den Gästen.
Es heißt, wenn zwei Hände gleichzeitig nach dem Brot greifen, so droht ein Unglück.
Weiterhin sollte man wissen, dass die Schale mit dem orangen- und rosenparfümierten Wasser zum Händewaschen gedacht ist. Gibt es kein Besteck, ist es wichtig zu wissen, dass ausschließlich die rechte Hand zum Essen genommen wird (die Linke gilt als unrein) – und hier wiederum nur Daumen, Ziege- und Mittelfinger.
Speisen wir vom Teller, wird die Frau des Hauses darauf bedacht sein, dass er nie leer wird (da hilft dann nur, einen Rest zu lassen). Wenn man beim Essen eine längere Pause macht, kann es passieren, dass der Gastgeber die Tafel aufhebt, dann hat man ihm nämlich signalisiert, dass man mit dem Essen fertig ist und damit ist auch für die anderen das Mahl beendet. Gut zu wissen ist auch, dass im Orient eher schnell und schweigsam gegessen wird. Ist schließlich das frische Obst oder das Dessert verspeist, hebt der Hausherr mit einem ‘Hamdulillah’ (Gott sei Dank) die Tafel auf. Jetzt geht man gerne an einen anderen Ort, um bei Tee, Mokka und süßem Gebäck zu reden, so lange man mag. Allerdings:
Bevor der Gast nicht aufbrechen will, werden selbst die erschöpftesten Gastgeber ihn behandeln, als könnte das noch Stunden so weiter gehen.
Und damit sind wir schon bei der nächsten Stufe der Gastfreundschaft angekommen – bei der Gegeneinladung. Die ist ein Muss, selbst wenn klar ist, dass das nie etwas wird.