‘Wenn ich ein Arzt wäre und mich jemand fragte: Was meinst du wohl, was getan werden sollte? – ich würde antworten: Das Erste, die unbedingte Bedingung dafür, dass überhaupt etwas getan werden kann, also das Erste, was geschehen muss, ist: Schaff Schweigen, hilf anderen zum Schweigen!’
(Sören Kierkegaard)
‘Nun sei es, Menschlein, fliehe ein wenig die Beschäftigung mit dem Irdischen, verbirg dich ein wenig vor deinen lärmenden Gedanken, wirf deine lästigen Sorgen weg und setze deine mühseligen Zerstreuungen beiseite! Sei ein wenig für Gott da, ruhe dich ein wenig in ihm aus! Gehe in das Gemach deines Geistes hinein, schließe alles aus außer Gott und dem, was dir ihn suchen hilft. Suche ihn bei verschlossener Türe.’ (Anselm von Canterbury)
Achtsamkeit im Alltag ist gar nicht so schwer umzusetzen. Es gibt so viele Situation am Tag, die du wunderbar für eine achtsame Pause nutzen kannst. So zum Beispiel auch das Tee trinken.
Wichtig ist, dass du dir 20 Minuten nur für dich nimmst und in dieser Zeit Ruhe hast und nicht abgelenkt wirst. Auch ist es wichtig, dass du jeden einzelnen Schritt bei der Teezubereitung und beim Tee trinken ganz bewusst machst und versuchst alle Gerüche, Farben und Geräusche wahrzunehmen.
Schön, dann geht es los:
Koche dir als erstes dein heißes Wasser ab, im Wasserkocher oder im Topf. Beobachte hier auch deinen Körper beim Halten des Wasserkochers oder Topfes. Welche Muskeln werden beansprucht? Wie klingt das Geräusch, wenn das Wasser in den Wasserkocher oder Topf läuft? Welche Geräusche entstehen, wenn das Wasser immer heißer wird? Was kannst du beobachten und hören?
Sobald das Wasser gekocht hat, greife zu deinem Tee und öffne die Teedose. Was siehst du? Welche Gerüche kannst du wahrnehmen? Nach was riecht der Tee? Lass dir hierfür ausreichend Zeit und genieße diesen Moment.
Fülle dann bewusst deinen losen Tee in einen Teefilter und gieße den Tee in der Tasse mit dem gekochten Wasser auf. Was kannst du dabei beobachten? Wie verändert sich die Farbe des Wassers? Was kannst du riechen? Lass dir auch für diesen Schritt genügend Zeit.
Sobald der Tee lange genug gezogen hat, nimm deine Tasse Tee und mach es dir in deiner Lieblingsecke gemütlich. Vermutlich wird der Tee noch etwas zu heiß sein zum Trinken. Während des Wartens kannst du eine weitere Achtsamkeitsübung machen und zwar deinen Atem beobachten. Schließe hierfür deine Augen und achte darauf, dass du aufrecht sitzt. Nimm nur deinen Atem wahr, wie er in deinen Körper ein- und ausströmt. Bleibe mit deiner Aufmerksamkeit bei deinem Atem und beobachte, wie mehr und mehr Ruhe in dir einkehrt. Genieße dieses Gefühl der Entspannung.
Sobald dein Tee etwas abgekühlt ist, nimm deine Tasse und spüre die Wärme in deinen Händen. Trinke achtsam Schluck für Schluck deinen Tee und nimm dabei den Geschmack und die Wärme bewusst wahr. Beobachte, was der warme Tee mit deinem Körper macht und genieße das Tee trinken.
Am Ende kannst du gerne noch einmal deine Augen schließen und deinen Körper wahrnehmen. Wie geht es dir jetzt? Nimm wahr, was sich durch diese achtsame Teezeremonie verändert hat. Gerne kannst du dich dann noch bei dir selbst bedanken, dass du dir Zeit genommen hast, dich um deinen Körper und Geist zu kümmern.
Ein König war über die Maßen reich und freigiebig. Es verging kein Tag, ohne dass er aus seinem großen Vermögen allen, die es nötig hatten, reichlich ausgeteilt hätte. Und obwohl er viel gab, wurden seine Schatzkammern nicht leer. Jeden Morgen ging er in das unterirdische Gewölbe, in dem die Schatzkammern lagen. Bevor er aber mit dem Schlüssel öffnete, ging er zu einer Kammer, die zuhinterst lag und deren Tür als einzige Tag und Nacht bewacht wurde. So oft er die geheime Kammer öffnete, ließ er die Wache wegtreten, sodass niemand auch nur einen Blick hineinwerfen konnte. Dann schloss er die Türe hinter sich zu und blieb eine Stunde darin. Wenn er wieder herauskam, schloss er sorgfältig ab und rief erst dann die Wache wieder herbei. So geschah es Tag für Tag und Jahr für Jahr. Alle wussten es und verwunderten sich darüber. Viele flüsterten, er treibe im Geheimen Zauberei. Einige munkelten, er stehe mit dem Teufel im Bund und vermehre mit dessen Hilfe seine Schätze. Auch seine Familie vermutete, dass er irgendetwas Geheimnisvolles tue. Aber niemand wagte ihn zu fragen.
Als er alt geworden war, rief er eines Abends seinen ältesten Sohn zu sich und sagte zu ihm: ‘Ich bin alt und werde bald sterben. Du wirst nach mir König sein. Ich will dir nun das Geheimnis unseres Reichtums zeigen. Aber schwöre mir zuerst, dass du keinem Menschen etwas davon verraten wirst und es erst deinem Sohn wieder anvertrauen wirst, wenn du selber alt geworden bist.’ Der Sohn schwor es.
Dann nahm der König ihn mit sich und führte ihn in die geheime Kammer. Als sie eingetreten waren, blickte sich der Sohn nach allen Seiten um und griff dann erschrocken nach dem Arm des Vaters. Die Kammer war ganz leer. Der König fragte ihn: ‘Wovor erschrickst du? Was siehst du?’ Der Sohn antwortete: ‘Ich sehe nichts. Darum erschrecke ich.’ Der König sagte zu ihm: ‘Ich werde dich für diese Nacht hier einschließen und du sollst über die Kammer nachdenken.’ Der Sohn umklammerte entsetzt den Vater. Der aber umarmte ihn, löste sich von ihm und schloss ihn ein.
Als er am nächsten Morgen die Kammer öffnete und eintrat, sah er den Sohn am Boden liegen, den Mantel über den Kopf gezogen. Er hob ihn auf und fragte: ‘Worüber hast du in dieser Nacht nachgedacht?’ Der Sohn antwortete: ‘Ich konnte nichts denken. Aber ich werde diese Kammer zumauern.’ Der König erwiderte nichts und führte ihn hinaus. Am Abend schloss er ihn wiederum ein und sagte zu ihm: ‘Denke über die Kammer nach.’ Am anderen Morgen fand er den Sohn bleich und trotzig an einer Mauer gelehnt sitzen und fragte ihn wiederum. ‘Worüber hast du in dieser Nacht nachgedacht?, wollte der Vater wissen. Der Sohn antwortete: ‘Ich habe darüber nachgedacht, womit ich die Kammer füllen werde.’ Der König antwortete nichts und führte ihn hinaus. Am dritten Abend schloss er ihn abermals ein und sagte zu ihm: ‘Denke auch in dieser Nacht darüber nach!’ Als der König am nächsten Morgen in die Kammer eintrat, stand der Sohn vom Boden auf und rieb sich die Augen. ‘Worüber hast du diese Nacht nachgedacht?’, fragte der König. Der Sohn antwortete: ‘Ich weiß nicht, ich habe die ganze Nacht tief geschlafen.’
Da lächelte der König, umarmte ihn und sagte: ‘Dann hast du das Geheimnis der Kammer verstanden. Komm nun mit und hilf mir bei der täglichen Austeilung.’ Er schloss die Kammer sorgfältig zu und ging dann mit dem Sohn in die Schatzkammern und holte mit ihm heraus, was für den Tag nötig war.
Mit wenigen Worten werden in Geschichten oft Lebensweisheiten einprägsam wiedergegeben, die auch in manchen Situationen Orientierung bieten können. Dazu zählt auch die folgende Geschichte.
Ganz aufgeregt kam ein Mann zu einem Weisen gerannt: „Ich muss dir etwas erzählen. Dein Freund …“
Der Weise unterbrach ihn: „Halt!“ Der Mann war überrascht.
„Hast du das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe gesiebt?“, fragte der Weise.
„Drei Siebe?“, wiederholte der Mann verwundert.
„Richtig, drei Siebe! Lass uns prüfen, ob das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe passt. Das erste Sieb ist die Wahrheit.
Ist das wahr, was du mir erzählen willst?“
„Ich habe es selber erzählt bekommen und …“
„Na gut. Aber sicher hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft. Das zweite Sieb ist das der Güte.
Wenn es nicht sicher wahr ist, was du mir erzählen möchtest, ist es wenigstens gut?“
Zögernd antwortete der Mann: „Nein, im Gegenteil …“
„Dann”, unterbrach ihn der Weise, „lass uns auch noch das dritte Sieb anwenden.
Ist es wichtig und notwendig, es mir zu erzählen, was dich so aufregt?“
„Wichtig ist es nicht und notwendig auch nicht unbedingt.“
„Also mein Freund“, lächelte der Weise, „wenn das, was du mir erzählen willst, weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es lieber sein und belaste dich und mich nicht damit.“
Die folgende Achtsamkeitsübung stammt von einem Zen-Meister.
‘Wenn ihr eine Mandarine schält, dann könnt ihr sie mit Achtsamkeit essen oder ohne Achtsamkeit. Esst ihr eine Mandarine achtsam, so ist euch bewusst, dass ihr eine Mandarine esst. Ihr erfahrt vollkommen ihren lieblichen Duft und ihren süßen Geschmack. Schält ihr die Mandarine, so wisst ihr, dass ihr eine Mandarine schält. Nehmt ihr ein Stück und steckt es in euren Mund, so wisst ihr, dass ihr ein Stück nehmt und es in euren Mund steckt. Empfindet ihr den lieblichen Duft und den süßen Geschmack, dann wisst ihr, dass ihr den lieblichen Duft und den süßen Geschmack empfindet. Die Mandarine, die mir gereicht wurde, hatte neun Teile. Jeden Bissen aß ich ganz bewusst und achtsam, und so erlebte ich, wie kostbar und wundervoll er war. Ich vergaß die Mandarine nicht und daher wurde sie für mich etwas sehr Wirkliches. Ist die Mandarine wirklich, dann ist der Mensch, der sie isst, auch wirklich. Das bedeutet, eine Mandarine mit Achtsamkeit zu essen.
Was aber bedeutet es, eine Mandarine ohne Achtsamkeit zu essen? Esst ihr eine Mandarine so, dann ist euch nicht bewusst, dass ihr eine Mandarine esst. Ihr empfindet nicht ihren lieblichen Duft und ihren süßen Geschmack. Schält ihr die Mandarine, so wisst ihr nicht, dass ihr eine Mandarine schält. Nehmt ihr ein Stück und steckt es in euren Mund, so wisst ihr nicht, dass ihr ein Stück nehmt und es in euren Mund steckt. Riecht ihr den Duft der Mandarine und schmeckt ihr sie, so wisst ihr nicht, dass ihr den Duft der Mandarine riecht und sie schmeckt. Esst ihr die Mandarine auf diese Weise, so könnt ihr nicht ihre kostbare, wundervolle Natur wert schätzen. Ist euch nicht bewusst, dass ihr eine Mandarine esst, so ist die Mandarine nicht wirklich. Ist die Mandarine nicht wirklich, dann ist auch die Person, die sie isst, nicht wirklich. Das bedeutet, eine Mandarine ohne Achtsamkeit zu essen.
Eine Mandarine achtsam zu essen bedeutet, wirklich in Berührung mit ihr zu sein, während ihr sie esst. Euer Geist jagt nicht den Gedanken von gestern oder morgen hinterher, er bleibt vielmehr vollkommen im gegenwärtigen Moment. Die Mandarine ist wirklich gegenwärtig. In Achtsamkeit und Bewusstheit leben bedeutet im gegenwärtigen Moment leben; euer Geist und Körper verbleiben wirklich im Hier und Jetzt. Ein Mensch, der achtsam ist, kann Dinge in der Mandarine sehen, die andere nicht erkennen können. Ein bewusster Mensch kann den Mandarinenbaum sehen, die Mandarinenblüte im Frühling, das Sonnenlicht und den Regen, die beide die Mandarine nährten. Schaut ihr ganz genau, könnt ihr die zehntausend Dinge sehen, die die Mandarine möglich gemacht haben. Betrachtet ein Mensch eine Mandarine mit Bewusstheit, so kann er alle Wunder dieses Universums darin erkennen; ebenso kann er sehen, wie die Dinge aufeinander einwirken. Unser tägliches Leben kann man gut mit einer Mandarine vergleichen. So wie eine Mandarine aus einzelnen Stücken besteht, so besteht ein Tag aus vierundzwanzig Stunden. Eine Stunde ist wie ein Stück der Mandarine, und die vierundzwanzig Stunden eines Tages zu leben ist wie das Essen aller Mandarinenstücke. Der Pfad, den ich gefunden habe, ist der Pfad, jede Stunde des Tages in Bewusstheit zu leben, mit Geist und Körper im gegenwärtigen Moment zu leben. Das Gegenteil ist ein Leben in Unachtsamkeit und Achtlosigkeit. Leben wir unachtsam, dann wissen wir nicht, dass wir lebendig sind. Wir erfahren das Leben nur unvollständig, denn unser Geist und unser Körper verweilen nicht im Hier und Jetzt.’
Nach einem anstrengenden Tag bemerkst du vielleicht gar nicht, dass du ruhebedürftig bist. Vielleicht trinken wir Kaffee und eilen zum nächsten Termin, anstatt uns auszuruhen. Und vermutlich schlafen wir dann auch noch schlecht, weil wir aufgedreht sind. Achte in den nächsten Tagen besonders auf die Signale deines Körpers, die dich dazu anhalten, dir eine Ruhepause zu gönnen. Achte darauf, was dich davon abhalten könnte, eine kleine Pause einzulegen. Wie könntest du das verändern?
Das Recht auf sich selbst
‘Wenn also alle Menschen ein Recht auf dich haben, dann sei auch du selbst ein Mensch, der ein Recht auf sich selbst hat. Warum solltest einzig du selbst nichts von dir haben? Wie lange schenkst du allen anderen deine Aufmerksamkeit, nur nicht dir selber? Bist du dir etwa selbst ein Fremder? Bist du nicht jedem fremd, wenn du dir selber fremd bist? Ja, wer nicht sich selbst schlecht umgeht, wie kann der gut sein?
‘Mandala’ bedeutet einfach ‘Kreis’. Der Kreis wird definiert durch eine Mitte, er lebt von ihr. Auch unser Leben gewinnt seine innere Form durch den Mittelpunkt, um den es sich bewegt. Mandalas spielen eine besondere Rolle als Werkzeug zur Versenkung. Berühmt sind die Mandalas tibetischer Mönche: riesige Figuren, die in wochenlanger Arbeit aus farbigem Sand auf dem Boden ausgelegt werden. Ist das Mandala fertig, wird es zerstört. Es geht nicht um das fertige Kunstwerk, sondern um den Vorgang seiner Herstellung. Der Weg ist das Ziel. Stille gehört zum Mandala-Malen dazu und stellt sich gewissermaßen von selbst ein. Wenn man Mandalas malt, wird man nach und nach ganz von selbst ruhig und konzentriert sich auf das Bild. Stille hilft, den Weg nach innen zu finden. Die Suche nach der Mitte, zu der das Mandala einlädt, ist die Suche nach der Ganzheit, der Versöhnung der Gegensätze, der Aufhebung der Pole. Kraft und Energie warten in diesem innersten Zentrum ebenso auf uns wie die Ausgeglichenheit, Ruhe und Gelassenheit.’ (Marion Küstenmacher)
‘Die ein gutes Leben beginnen wollen,die sollen es so machen wie einer,der einen Kreis zieht.
Hat er den Mittelpunkt des Kreisesrichtig angesetzt und steht der fest,so wird die Kreislinie gut.
Das soll heißen:Der Mensch lerne zuerst,dass sein Herz fest bleibe in Gott,so wird er auch beständig werdenin allen seinen Werken.’
Einmal kam ein Mann zum Meister. Er bat ihn darum, ihm einige Weisheiten aufs Papier zu schreiben, damit er sie mitnehmen und immer wieder darauf schauen könnte.
Der Meister nahm einen Pinsel zur Hand und schrieb nur ein einziges Wort auf: „Achtsamkeit“.
Der Mann schaute enttäuscht.
„Das kann doch nicht alles sein, oder? Bitte schreib noch etwas dazu.“
Wieder griff der Meister zum Pinsel und schrieb „Achtsamkeit. Achtsamkeit.“
„Vergebt mir, aber das scheint mir weder sehr weise noch tiefsinnig zu sein.“ sagte der Mann.
Daraufhin schrieb der Meister: „Achtsamkeit, Achtsamkeit, Achtsamkeit“.
Der Mann fühlte sich vom Meister veralbert und wurde wütend.
„Was soll den Achtsamkeit überhaupt bedeuten?“ rief er.
Da sagte der Meister: „Achtsamkeit heißt Achtsamkeit.“