16. Dezember: Die drei Siebe

Aufgeregt kam jemand zum Sultan gelaufen: ‚Höre, Sultan, das muss ich dir erzählen, wie dein Freund ….‘

‚Halt ein!‘ unterbrach ihn der Sultan, ‚Hast du das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe geschüttelt?‘ – ‚Drei Siebe?‘ fragte der andere voll Verwunderung.

‚Ja, mein Freund, drei Siebe! Lass sehen, ob das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe hindurch geht.

Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast du alles, was du mir erzählen willst, geprüft, ob es wahr ist?‘

‚Nein, ich hörte es erzählen, und …‘ – ‚So, so. Aber sicher hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft, es ist das Sieb der Güte.

Ist das, was du mir erzählen willst, wenn schon nicht als wahr erwiesen, wenigstens gut?‘

Zögernd sagte der andere: ‚Nein, das nicht, im Gegenteil …‘ –

‚Dann‘, unterbrach ihn der weise Sultan, ‚lass uns auch das dritte Sieb noch anwenden und lass uns fragen, ob es notwendig ist, mir das zu erzählen, was dich so erregt.‘

‚Notwendig nun nicht gerade …‘

‚Also‘, lächelte der Sultan, ‚wenn das, was du mir erzählen willst, weder wahr, noch gut, noch notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste dich und mich nicht damit!‘

15. Dezember: Couscous und Brot

Couscous – wie das schon klingt! Und wie der erst schmeckt. So pur und doch so voller Aroma, so satt und doch so leicht. Ein richtig kleines Wunder ist dieser fein gerollte Weizengrieß.

Ein Couscous-Körnchen erzählt: ‘Ich komme aus dem Maghreb, wie die Araber zum ‘Land, in dem die Sonne untergeht’ sagen – von ihnen im Osten gesehen ist meine Heimat Nordafrika, ihr Abendland.

Sie gaben auch den Nomaden dort den Namen ‘Berber’, die sich selbst lieber ‘freie Menschen’ nennen. Und als solche brauchten sie stets Proviant, um nicht von Äckern oder Bäckern abhängig zu sein. Daher erfanden sie mich, Couscous. Dazu werden traditionell Grieß und Mehl des Hartweizens mit Wasser vermischt und in aller Ruhe zwischen den Händen zu Körnchen gerollt und schließlich getrocknet.

Ich kann dabei grob, mittelgrob oder fein werden. Bin ich letzteres, mag man mich besonders gern. Nach der Tradition werde ich in einer Couscousiere gedämpft, bei der ein Sieb auf einem Topf mit Ragout oder nur einem Sud darin sitzt, was aber Zeit und Mühe kostet. Daher habe ich noch einen fixen Bruder, den vor gedämpften Couscous zum Schnellgaren. Aber glaubt mir, der Duftigere bin ich.’

Kein Tag, kein Essen ohne Brot im Orient.

Die Orientalen verehren Brot – weil es direkt von Gott kommt, weil es von ihrem eigenen Boden stammt und weil es im Zweifel der einzige Sattmacher am Tisch ist. Ob Frühstück, Mittagessen oder Imbiss, zu Beginn bricht immer der Hausherr das Brot und reicht es den anderen am Tisch. Schneiden ist dabei ganz klar tabu, denn das hieße, mit dem Messer auf Gott loszugehen. Dafür wird das Brot oft selbst als Besteck benutzt, um mit ihm Mezze aufzugabeln oder Dips zu löffeln. Wenn einmal ein Brocken vom Tisch fällt, wird er kurz an Lippen und Stirn gehalten, bevor man ihn beiseite räumt und für anderes verwendet.

Denn weg geworfen wird aus Respekt nichts in der orientalischen Küche, schon gar nicht das heilige Brot.

Zugleich sollte am Ende des Tages nichts von ihm übrig bleiben – sonst wird es dem Nachbarn oder an Bedürftige verschenkt, auch das ist eine typische Sitte.

Der Weizen und seine urige Schwester, die Gerste, haben ihren Ursprung im Arabischen, wo umherziehende Beduinen und Berber die Körner ernteten, trockneten und eine Reihe von Halbfertig-Produkten daraus machten – von Bulgur bis Couscous. So richtig in Schwung kam der orientalische Entdeckergeist aber erst, als die Wüstenwanderer Äcker anlegten und Getreide systematisch pflanzten – bald wussten sie dann, welche Sorte für welches Produkt die beste ist.

Tabouleh (4 Personen)

200 g feiner Bulgur oder Couscous
2-3 Bund Petersilie
1/2 Bund Minze
3 Tomaten
4 Frühlingszwiebeln
1 grüne Chilischote (nur für die, die gerne scharf essen)
5 EL Zitronensaft
5 EL Olivenöl
Salz
schwarzer gemahlener Pfeffer

1. Bulgur oder Couscous in eine Schüssel schütten. So viel lauwarmes Wasser darüber gießen, dass die Körner davon bedeckt sind. 20 Minuten in Ruhe lassen.

2. In der Zeit die Kräuter waschen und trockenschütteln. Blättchen abzupfen und fein hacken. Die Stielansätze aus den Tomaten heraus schneiden. Kochendes Wasser über die Tomaten gießen, Tomaten kalt abschrecken und häuten, halbieren und die Kerne raus drücken. Tomatenfleisch in kleine Würfel schneiden. Von den Frühlings-zwiebeln Wurzelbüschel abschneiden. Die Zwiebeln waschen und sehr fein scheiden. Chili waschen und längs aufschlitzen. Kerne und Stiel entfernen, Chili ganz fein hacken.

3. Bulgur oder Couscous in einem Sieb abtropfen lassen. Zitronensaft mit Öl, Salz und Pfeffer gründlich verrühren und unter die Körner mischen. Gemüse, Chili und Kräuter dazu und alles gut vermengen. Probieren und vielleicht noch nach würzen. Eventuell noch Salatgurkenwürfel mit unter den Salat mischen. Salat zusätzlich mit etwas gemahlenem Kreuzkümmel und rosenscharfem Paprikapulver würzen. Gleich auf den Tisch stellen.

14. Dezember: Das Kamel

‘Während Gott den Menschen aus Tonerde formte, so erzählt man, fielen zwei Klümpchen zu Boden. Aus dem einen wurde eine Dattelpalme, aus dem anderen ein Kamel.’

Kann man die Bedeutung dieser beiden Lebewesen für den Menschen in der Wüste noch deutlicher darstellen als in dieser frommen Legende? Wohl kaum.

Ohne das Kamel, das endlose Wüstenstrecken mit einer einzigen ‘Tankfüllung’ schafft und dem dank seiner hervorragend angepassten Organe kaum ein Sandsturm etwas anhaben kann, gäbe es keine Karawanenstraßen, keinen Handel und keinen kulturellen Austausch. In Nordafrika und Arabien ist das einhöckrige Dromedar heimisch. Die Tiere sind wie geschaffen für das extreme Klima.

Sie können in heißen Trockenzeiten ihre Körpertemperatur auf 46 Grad ansteigen lassen. Dann schwitzen sie weniger und verlieren damit weniger Wasser. Beim Trinken wird das Wasser in den Gewebezellen und im Blutkreislauf abgelagert. Ihre roten Blutkörperchen können sich dabei auf das 240-fache ihres Volumens ausdehnen.

Unterwegs zehren die Tiere an diesem Vorrat und verlieren dabei bis zu einem Viertel ihres Gewichts, ohne Schaden zu nehmen.

So können sie bis zu drei Wochen ohne Wasser auskommen. Werden die Kamele dann an eine Wasserstelle geführt, können sie über 100 Liter Wasser in nur wenigen Minuten trinken. Nach solchen Touren brauchen sie viel Zeit, um sich wieder davon zu erholen.

Als Futter reichen ihnen Gräser, Blätter und sogar Zweige von dornigen Pflanzen. Gibt es eine längere Zeit kein Futter, verbrauchen die Tiere ihre Fettreserven, die sie im Höcker gespeichert haben. Weil Kamele ein dickes, breites Polster aus Horn an ihren Füssen haben, sinken sie im Sand nicht so leicht ein.

Viele Menschen nennen sie Wüstenschiffe, weil sie beim Laufen leicht von einer Seite zur anderen schaukeln.

Bei Sandstürmen können sie sogar ihre Nasenlöcher schließen. Für Nomaden ist das Kamel das wichtigste Haustier und als Reit- und Lasttier unersetzlich. Die kräftigsten Tiere können Lasten bis zu einem Gewicht von 250 kg tragen und in einer Karawane an die 25 km am Tag zurücklegen.

Sein ganzes langes Leben über ist es ein robustes Transportmittel und Lieferant von mineralstoff- und vitaminreicher Milch. Der Dung dient getrocknet als Heizmaterial. Später sichert das Fleisch für Wochen die Ernährung. Die Haut wird zu Gürteln, Taschen und Schuhen verarbeitet und selbst die Haare haben noch hohen Gebrauchswert: Aus ihnen werden wollen, Zeltstoffe und Decken von hoher Qualität hergestellt. Selbst der Kamelmist ist nicht überflüssig, getrocknet wird er als Brennmaterial verwendet.

‚Die seltsamen länglichen Köpfe mit den vorgestreckten Unterlippen und den grossen sanften Augen wiegen sich langsam auf den beweglichen und gestrafften langen Hälsen.‘

(Isabelle Eberhardt, 1877 – 1904)

13. Dezember: Zitrusfrüchte

Zitrusfrüchte kamen aus dem Fernen in den Nahen Osten.

Limetten werden oft getrocknet und beim Kochen mit gegart, Salz-Zitronen würzen viele Gerichte des Orients. Die Blüte der Orange wird zu einem geschmackvollen Wässerchen destilliert. Einst sagten wir ‘Apfelsine’ zu ihr (kommt von ‘Apfel sinensis’, also chinesischer Apfel), inzwischen hat sich die Ableitung von ihrem arabischen Namen ‘naranji’ bei uns durchgesetzt – Orange eben.

Salz-Zitronen

Sie sind Salz und Gewürz zugleich in der nordafrikanischen Küche, geben Marinaden des gewisse Etwas und veredeln Tajines aufs Allerfeinste mit ihrem starken, eigenen Aroma. Wer nordafrikanisch kochen will, muss sie haben. Und auch wenn schon ein bisschen von ihren Schalen genügt, um Geschmack zu geben, sollte man doch gut 10 Stück auf Vorrat einsalzen – drunter lohnt es sich kaum.

Zubereitung

Nehmen wir 200-250g Meersalz und 15 Zitronen, die völlig unbehandelt sein sollten, am besten ist Bio-Ware. Um ganz sicher zu sein, dass sie wirklich sauber sind, werden sie heiß gewaschen und über Nacht in Wasser eingelegt. Dann 10 Zitronen von einem Ende her so tief kreuzweise einschneiden, dass sie am anderen Ende noch zusammenhalten. Das Innere mit etwas Meersalz füllen und zusammen drücken.

Die gesalzenen Zitronen auf eine Lage Meersalz in ein hohes, enges Gefäß schichten, dabei immer wieder Salz dazwischen streuen. Zum Schluss das restliche Salz darüber verteilen. Die übrigen Zitronen auspressen und den Saft zu den Früchten im Glas geben. 1 Tag stehen und Saft ziehen lassen, dann bei Bedarf noch etwas Wasser zugießen, so dass alle Zitronen gut bedeckt sind. Nun wird das Glas fest verschlossen in ein dunkles, kühles Eck gestellt und nach 1 Monat kann die erste Zitrone ‘geerntet’ werden.

Hühner-Tajine mit Oliven und Salz-Zitronen

1 fleischiges Hähnchen (ca. 1,3 Kg)
2 EL Zitronensaft Salz
3 Zwiebeln
1 Salz-Zitrone
1/2 Döschen Safranfäden (0,1 g)
2 TL gemahlene Kurkuma
4 EL Olivenöl
2 TL Ingwerpulver
gemahlener Pfeffer
200g grüne Oliven
Korianderblättchen zum Bestreuen

1. Huhn innen und außen kalt waschen und abtrocknen. In 8 Stücke schneiden; Flügel und Keule am Gelenk abtrennen. Brust und Rücken mit Messer und Geflügelschere durchschneiden.

2. Den Zitronensaft mit 2 TL Salz verrühren und die Hühnerteile damit einreiben. Für mindestens 2 Stunden in den Kühlschrank stellen, länger schadet auch nicht.

3. Die Zwiebeln schälen, halbieren und in ungefähr 1 cm breite Streifen schneiden. Die Salz-Zitrone kalt abspülen, halbieren und in Scheiben schneiden. Den Safran leicht zerbröseln und in einen Becher mit 200 ml warmem Wasser rühren. Stehen lassen, bis das Wasser gelb wird.

4. Die Hühnerteile nochmals kalt abspülen und abtupfen, dann mit Kurkuma einreiben. Nicht mehr salzen.

5. Olivenöl im Topf oder in der Tajine erhitzen. Hühnerteile darin anbraten. Zwiebeln und Salz-Zitrone dazu geben – alles am besten so einschichten, dass sich Huhn, Zitronenscheiben und Zwiebeln abwechseln, da zu viel Salzzitrone an einer Stelle die Umgebung zu sehr würzt. Safranwasser dazu giessen und alles mit Ingwer und Pfeffer abschmecken. Das Huhn zugedeckt bei schwacher Hitze etwa 45 Minuten schmoren lassen. Zwischendurch mal in den Topf schauen. Wenn Flüssigkeit fehlt, Wasser nachgiessen. Dann die Oliven untermischen und noch 5-10 Minuten ziehen lassen.

6. In der Zeit schon mal den Grill vom Backofen anheizen. Alle Hühnerteile im Topf nach oben holen. Den Topf mit etwa 10 cm Abstand unter die Grillschlangen schieben und das Geflügel schön knusprig werden lassen. Den Koriander drauf streuen und mit einem Fladenbrot ab auf den Tisch damit!

12. Dezember: Rosen

Englische Land-Ladies verehren sie wie eine Tasse besten Tee – aber was ist das im Vergleich zur blühenden Leidenschaft, die Orientalen seit Jahrtausenden beim Duft der Rose verzückt.

Die Perser begannen sie zu kultivieren, und bis heute ist ein ‘gulistan’ (pers. für Rosengarten) inmitten der Wüste Poesie pur.

Eine Oase, die sich am besten hinter hohen Mauern versteckt und die Gäste dann umso mehr überrascht. Wer das nicht hat, kann ihnen immer noch Rosenblätter streuen und sie mit Rosenwasser besprengen, wie man es im Orient als guter Gastgeber macht.

Woher kommst du …. Rosenwasser?

‚Meine Familie stammt aus der Umgebung von Isfahan. Dort hatten die Perser schon vor 3 Jahrtausenden entdeckt, wie man unseren Liebreiz in Flaschen destillieren konnte.

Sie taten es um meiner großen Schwester Rosenöl willen. Bis heute lässt sie sich dadurch gewinnen, dass die ätherischen Öle durch Dampf aus den Rosenblättern gezogen werden, welcher beim Abkühlen flüssig wird. Dabei setzt sich schließlich das feine Öl ab, das am liebsten zu den Parfumiers nach Frankreich reist. Wer zurückbleibt bin ich, und dafür liebt man mich im ganzen Orient, vermählt mich mit Honig, Kardamon und sonnenreifen Früchten. Ich habe auch noch eine kleine Schwester, Orangenblütenwasser genannt.‘

Melone mit Rosenwasser

Zutaten für 4 Personen:

1 Honigmelone

2 EL Rosenwasser

2 TL Zucker

Die Melone achteln, entkernen und schälen. In einer Schüssel das Rosenwasser mit dem Zucker verrühren und die Melonenstücke unterrühren. Für 10 Min. ins Gefriergerät stellen und auf den gekühlten Tellern verteilen.

Rosenkonfitüre

Zutaten für 3 Gläser a 1/4 l:

200-300 g Blätter von unbehandelten duftenden Freilandrosen

500 g Gelierzucker

1 Limette

1 Prise Zimtpulver

Die Rosenblätter von den Blüten lösen. 1/2 l Wasser zum Kochen bringen, die Rosenblätter hineingeben und 5 Min. köcheln lassen. Farbe und Aroma der Blätter gehen sofort in das Wasser über. Die Blätter mit einem Schaumlöffel aus dem Topf fischen. Den Gelierzucker hinein rühren und 5 Minuten köcheln lassen.

Die Limette auspressen, den Saft und den Zimt unterrühren. Die Flüssigkeit in sterile Gläser geben und luftdicht verschliessen. Die Konfitüre schmeckt zu Sesamringen und Sesambrötchen.

Rosenlimonade

Eine zauberhaft duftige Version ist die Rosenlimonade – damit könnten sich auch Sheharazade und ihre Schwester an den heissen Tagen zwischen ihren 1001 Nächten erquickt haben. Sie wären gleich nach dem Ende der Nacht und der dazugehörigen Geschichte in den Rosengarten gegangen, dem Stolz eines jeden Herrschers im Orient. Und sie würden von den ungespritzten rosa und weissen Rosen nur die makellosesten Blütenblätter nehmen, von denen der Tau schon verdampft ist, die ätherischen Öle aber noch nicht.

Und so wird die Limonade gemacht:

Für 4 große Gläser werden 200 ml Wasser mit 200 g Zucker gekocht, bis der Zucker sich gelöst hat. Dazu kommen 2 gute Hände voll von duftenden ungespritzten Rosenblättern. Den Deckel auflegen und den Sirup völlig abkühlen lassen. Nun 5-6 Zitronen auspressen, den Saft unter den Rosensirup rühren und 1 Stunde im Kühlschrank ziehen lassen. Schließlich wird alles durch ein feines Sieb gegossen, auf Gläser verteilt und mit Sprudelwasser aufgefüllt. Und wer es noch rosiger mag, träufelt zusätzlich etwas Rosenwasser hinein. Wer verwegen ist, nimmt Rose-Sekt statt Selters.

11. Dezember: Märchen von 1001 Nacht

‚Ali Baba und die vierzig Räuber‘ war nur eine von 1001 Geschichten, die der König der Sassaniden einst Nacht für Nacht von Sheharazade zu hören bekam, der Tochter seines Wesirs.

Der Hintergrund war nicht gerade märchenhaft: Nachdem der König von seiner Frau betrogen worden war, ließ er sie köpfen wie danach jede andere ‚Frau für eine Nacht‘, die ihm der Wesir brachte. Bis dessen Tochter mit ihren Geschichten kam. 1001 Nächte später war sie immer noch da und wurde nun selbst Königin.

Dieses Märchen ist es, dass 1001 Legenden, Fabeln und Gleichnisse zur berühmtesten Sammlung des Orients verbindet:

‚Alf laila wa-laila‘, das in der französischen Übersetzung ‚Le mille et une nuits‘ im 18. Jahrhundert weltberühmt wurde und als ‚Tausendundeine Nacht‘ zu uns kam.

Wie das Buch der Grimm-Brüder ist es eine Zusammenstellung von Märchen verschiedener Kulturen: Persien, Indien, Griechenland, Ägypten, Arabien, Mesopotamien oder der Türkei. Und wie es sich für den Orient gehört, ist immer wieder von betörenden Genüssen die Rede: ‚Sie kaufte Äpfel von reinstem Teint, Pfirsiche aus Khoullane, Limonen aus Marakib, Zedrat-Zitronen der erlesensten Sorten.‘ Einmal wird geschwärmt von ‚Pistazienkerne – ein knuspriger Genuss, wenn man in guter Gesellschaft trinkt, Rosinen aus Chib, Datteln aus dem Irak‘, ein anderes Mal von ‚Butter-Beignets, hauchdünnen Pfannkuchen, Pasteten mit Moschus, türkischen Karamellen.

10. Dezember: Datteln – das Brot der Wüste

Orientalische Prosa ist reich an Sprichwörtern und Lebensweisheiten und wenn es eine Hitparade der meistgenannten Früchte gäbe, Nummer eins gehörte der Dattel.

Unangefochten und schon seit Jahrtausenden – ist die Dattelpalme doch eine der ältesten Kulturpflanzen.

Nicht nur die bekannte süßen Früchte – botanisch gesehen handelt es sich um Beerenobst – mit ihren leicht verdaulichen und nährstoffreichen Bestandteilen machen die Dattel zum absoluten Hit für den Wüstenproviant, auch das Holz und die riesigen Palmwedel haben für die Bewohner hohen Gebrauchswert. Matten, Taschen, Säcke, Körbe, ja sogar Gurte, Seile und Nähnadeln lassen sich aus diesem Wunderbaum anfertigen. Und sollte die Dattelausbeute einmal nachlassen, so lässt sich die Pflanze anzapfen: Aus den Stümpfen der abgeschnittenen Blätter sprudelt köstlicher Palmsaft, täglich bis zu 10 Liter, der entweder getrunken oder zu Palmwein, Palmessig oder Palmzucker verarbeitet werden kann.

So eine Dattelpalme bringt es leicht auf 100 Jahre Lebensdauer, wenn sie regelmässig viel Wasser bekommt. Sie ist ein Synonym für Leben schlechthin.

Stößt der verirrte Wüstenwanderer auf diese Pflanzen, so ist er vorerst gerettet. Wasser findet er dort allemal.

Gut Ding will Weile haben und so braucht die Dattelpalme erst einmal 10 Jahre, bis sich die ersten pflaumenartigen Früchte zeigen. Danach aber kann geerntet werden, bis zu 200 Datteln pro Palme. Neben einer wertvollen Zuckerart, ähnlich der im Honig, liefert die Dattel reichlich Mineralstoffe und Vitamine. Deshalb gelten die Früchte schon seit ewigen Zeiten als Heilmittel für alles mögliche.

So berichtete im 16. Jahrhundert ein ernährungskundiger Scheich:

‘Datteln stärken den Leib, reichern das Blut an und kräftigen die Lenden.’ Und wenn ihn ein Fieber überkam, so verzehrte er sie in Milch gekocht.

Eine Dattel erzählt: ‘Ich bin ein echtes Wüstenkind, geboren in dem Palmschatten der Oasen.

Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, wie froh die ersten Nomaden waren, als sie von der sonnengewärmten Süße meiner Frucht kosteten. Doch ihr bräuchtet schon einen Zauberteppich, um diesen Geschmack selbst zu erleben. Denn zu euch komme ich entweder getrocknet, also mit etwas faltiger Haut und gewaltiger Süße oder halbfrisch – denn auch was ihr als frisch angeboten bekommt, wurde nach der Ernte erst einmal eingefroren.

Beduinen und Berber schätzen mich auch getrocknet wegen meiner langen Haltbarkeit und genießen mich morgens mit Frischkäse zum Fladenbrot wie ihr die Konfitüre mit Butter zum Brötchen. Sie wissen auch, dass ich eine sehr große Familie habe, in der manche Typen sogar zu Brot werden können und andere zu Schnaps. Köche und Bäcker vermählen mich gerne mit Reis, Geflügel, Lamm und Hackfleisch sowie Marzipan, Mandeln und Gebäck.‘

Arabisches Märchen

Durch eine Oase ging ein finsterer Mann, namens Ben Sadok. Er war so gallig in seinem Charakter, dass er nichts Gesundes und Schönes sehen konnte, ohne es zu verderben.

Am Rand der Oase stand eine junge Dattelpalme im besten Wachstum. Die stach dem finsteren Araber in die Augen. Da nahm er einen schweren Stein und legte ihn der jungen Palme mitten in die Krone. Mit einem bösen Lachen ging er nach dieser Heldentat weiter. Die junge Dattelpalme schüttelte sich und bog sich und versuchte, die Last abzuschütteln, vergebens. Zu fest saß der Stein in ihrer Krone.

Da krallte sich der junge Baum tiefer in den Boden und stemmte sich gegen die Last.

Er senkte seine Wurzeln so tief, dass sie die verborgene Wasserader der Oase erreichten, und stemmte den Stein so hoch, dass die Krone über jeden Schatten hinausreichte. Wasser aus der Tiefe und Sonnenglut aus der Höhe machten eine königliche Dattelpalme aus dem jungen Baum.

Nach Jahren kam Ben Sadok wieder, um sich an dem Krüppelbaum zu freuen, den er verdorben hatte. Er suchte vergebens. Da senkte die stolzeste Palme ihre Krone, zeigte den Stein und sagte:

‘Ben Sadok, ich muss dir danken, deine Last hat mich stark gemacht!’

9. Dezember: Arabische Gastfreundschaft

Für Gäste wird im Orient alles getan:

Eine Trutzburg wird zum offenen Haus, eine Hütte zum Palast, Fremde werden zu Freunden, Feinde zu Brüdern. Und das wichtigste bei dieser Gastfreundschaft ist: ein Gast, der freundlich ist.

Es gibt im Orient viele Sitten und Bräuche, die sich von Land zu Land stark unterscheiden. Ein gemeinsamer Nenner ist die Gastfreundschaft. Sie ist eine alte Tradition und die Schriften des Propheten und seiner Nachfolger sind voll von Anweisungen, wie man einen Gast zu behandeln hat. Das ging so weit, dass es heilige Pflicht eines jeden Gläubigen war, stets beste Speisen vorrätig zu halten: Es könnte ja sein, dass ein Bruder plötzlich vor der Türe steht und Einlass begehrt.

Auch heute noch ist es für viele Einheimische üblich, jeden Fremden, der die Schwelle seines Hauses überschreitet, auch ausgiebig zu bewirten – eine Ablehnung wäre eine Beleidigung.

Für einen Gast darf es nie zu wenig und kann es nie zu teuer sein – gehe daher mit Demut in das Haus. Denke selbst wie ein Gastgeber, vor allem wenn du als Gast etwas wünschst – und schweige dann eher. Es wird auch so jeder Wunsch von deinen Augen abgelesen. Weiterhin ist es selbstverständlich, dass der Hausherr seinem Gast stets die besten Stücke reicht, wobei solche Vorschriften vor allem noch bei den Nomaden befolgt werden. Ein wenig dieses Geistes von damals ist jedoch erhalten geblieben:

Die Wünsche des Gastes genießen auch heute noch absolute Priorität in den orientalischen Ländern.

Und wer schon etwas erfahren ist, der kommt nicht pünktlich, denn damit rechnet niemand – es kann sogar als unhöflich gelten, da es den Plan der orientalischen Gastfreundschaft durcheinander bringt. Dennoch ist im Koran zu lesen,

dass man jeden Gast, ob angemeldet oder nicht, ob pünktlich, höflich, verwandt, bekannt oder nicht, als ‘Freund Gottes’ in sein Haus lässt und ihm gibt, was man hat – mindestens.

Ein traditioneller Besuch: Begrüße den Hausherren als erstes mit offenen Armen, Handschlag und einem ‘Salam aleikum’, frage von Herzen nach seiner Familie und seinen Kindern.

Wenn du etwas mitbringen willst, dann bitte keine Blumen für die Frau und schon gar keinen Wein. Besser sind da Süßigkeiten und kleine Geschenke für die Kinder – am besten etwas Schönes aus deinem Land. Begrüße dann die ältesten Männer und höre bei jedem einzelnen, wie es ihm geht. Während man sich nach der Familie erkundigt und im Gegenzug von der Heimat erzählt (nur Gutes!), geht es langsam in Richtung Diwan, wo in der Ecke schon ein Tablett-Tisch auf uns wartet. Der Gastgeber wird uns seinen besten Platz zuweisen und man sollte beim Sitzen darauf achten, dass man unsere Fußsohlen nicht sehen kann.

Mit dem Wort ‘Bismillah’ (im Namen Allahs) eröffnet der gläubige Hausherr das Gastmahl, alle anderen antworten ebenso. Dann bricht er das Brot und reicht es zuerst den Gästen.

Es heißt, wenn zwei Hände gleichzeitig nach dem Brot greifen, so droht ein Unglück.

Weiterhin sollte man wissen, dass die Schale mit dem orangen- und rosenparfümierten Wasser zum Händewaschen gedacht ist. Gibt es kein Besteck, ist es wichtig zu wissen, dass ausschließlich die rechte Hand zum Essen genommen wird (die Linke gilt als unrein) – und hier wiederum nur Daumen, Ziege- und Mittelfinger.

Speisen wir vom Teller, wird die Frau des Hauses darauf bedacht sein, dass er nie leer wird (da hilft dann nur, einen Rest zu lassen). Wenn man beim Essen eine längere Pause macht, kann es passieren, dass der Gastgeber die Tafel aufhebt, dann hat man ihm nämlich signalisiert, dass man mit dem Essen fertig ist und damit ist auch für die anderen das Mahl beendet. Gut zu wissen ist auch, dass im Orient eher schnell und schweigsam gegessen wird. Ist schließlich das frische Obst oder das Dessert verspeist, hebt der Hausherr mit einem ‘Hamdulillah’ (Gott sei Dank) die Tafel auf. Jetzt geht man gerne an einen anderen Ort, um bei Tee, Mokka und süßem Gebäck zu reden, so lange man mag. Allerdings:

Bevor der Gast nicht aufbrechen will, werden selbst die erschöpftesten Gastgeber ihn behandeln, als könnte das noch Stunden so weiter gehen.

Und damit sind wir schon bei der nächsten Stufe der Gastfreundschaft angekommen – bei der Gegeneinladung. Die ist ein Muss, selbst wenn klar ist, dass das nie etwas wird.

8. Dezember: Arabische Musik und Tanz

Von der Scheherazade, die in 1001 Nacht Märchen erzählte, um ihr Leben zu retten

Die Tänzerin

An den Hof des Fürsten Birkasha kam einst eine Tänzerin, von Musikanten begleitet. Sie erhielt die Erlaubnis auftreten zu dürfen. Den Flammentanz tanzte sie und den Tanz der Schwerter und Speere. Sie tanzte den Sternentanz und den Tanz des Universums. Und schließlich tanzte sie den Tanz der Blumen im Wind. Danach stand sie vor dem Thron des Fürsten und verneigte sich.

Der Fürst bat sie näher zu treten und er sprach zu ihr: ‘Schönes Weib, du Tochter von Anmut und Wonne. Woher stammt deine Kunst? Wie kommt es, dass alle Kräfte der Natur in deine Bewegungen und in deine Lieder einfließen?‘ – Wieder verneigte sich die Tänzerin vor dem Fürsten und antwortete: ‘Mächtiger und gütiger Herrscher, ich kenne die Antwort auf deine Fragen nicht. Ich weiß nur dies:

Des Philosophen Seele wohnt in seinem Haupt, die des Dichters in seinem Herzen, die Seele des Sängers hält sich irgendwo in seiner Kehle auf – doch der Tänzerin Seele fließt in ihrem ganzen Körper!‘

Kamasutra

‚Ihr Atem ist wie Honig, mit duftender Nelke gewürzt,

Ihr Mund so köstlich wie eine reife Mango,

Ihre Haut zu küssen gleicht dem Kosten der Lotosblüte,

die Mulde ihres Nabels birgt Spezereien in Fülle.

Welche Freuden jenseits davon ruhen,

die Zunge weiß es, doch kann sie es nicht sagen.‘

‚Oh, du Jasminblüte und deine erdhafte Harmonie,

deine Hüften kreisen und es vibrieren deine Schultern

und deine Hände erinnern an die Flügel von Vögeln.

Tanze und drehe dich, von einem Stern zum anderen,

von meinen Augäpfeln bis hin zur Sonne.

Der Nabel deines mit Blumen umkränzten Bauches

ist das Zentrum des Universums.

Trunken um deinen Bauch gaukeln die Sterne,

der Mond lacht und tanzt auf den Bergen

und deine Haare wehen im würzigen Wind.

Jedes Mal, wenn deine Hüften schwingen,

verlängert sich mein Leben um tausend Jahre,

jedes Mal, wenn deine Hüften pendeln,

tanzen tausend Kinder mit dir den Reigen.

Bei jeder Drehung fliegen Blütenblätter ins All

und verwandeln sich in Kinder,

deren jauchzende Schreie den Himmel erfüllen.‘

‘So gibt es in manchen Zeiten des Lebens Augenblicke, in denen nichts Außergewöhnliches geschieht, die man aber wegen ihrer unsäglichen Sanftheit nie vergisst…..

Seine Stimme war rein und weich: keine andere hatte mir je den geheimen und undefinierbaren Charme dieser alten arabischen Musik, die vor mir schon zahllose traurige Seelen verrückte, so voll vermittelt.‘

(Isabelle Eberhardt, 1877 – 1904)

7. Dezember: Die Feige

arabisch: tin; persisch: angir; türkisch: incir

Wo die Feige ist, da ist das Paradies.

Wer weiß, vielleicht haben sich Adam und Eva von ihr statt von einem Apfel verführen lassen? Schließlich bedeckten sie sich nach ihrem verhängnisvollen Biss ja auch mit Feigenblättern. – Sündig genug kann diese Frucht jedenfalls schmecken, wenn sie nicht gerade eins von diesen für den Import viel zu früh geernteten und damit mehlig-faden Exemplaren ist.

In ihrer orientalischen Heimat wird die Feige wirklich sonnenreif vom Baum gepflückt, so dass unter ihrem grünen bis violetten Flaum der betörend süße Saft fast schon im Fruchtfleisch pulsiert, das weich und warm aufs erste Reinbeißen wartet.

Das ist dann schon fast ein erotisches Vergnügen, weswegen die Feige im Orient das Symbol von Fruchtbarkeit und Sinnlichkeit ist wie keine andere Frucht.

Süße und Aroma steigern sich noch, wenn die Feige nach dem Pflücken in der Sonne trocknet. Aber auch da liegen wieder Welten zwischen der knallharten, nur süßen Billig-Trockenfeige und der ganz leicht und weich gedörrten Smyrna-Feige.

Und die ist jede Sünde wert.

Sultaninen

Sie klingen schon schwer nach Orient und stehen hier für alle getrockneten Weintrauben von der kleinen festen Korinthe bis zur großen weichen Traubenrosine. Der Star ist aber die kernlose sonnengetrocknete Sultana-Traube, mit der uns vor allem die Türkei Süßes voller Saft und Kraft ohne eine Spur Schwefel gibt. Sultaninen werden gerne genascht und zum Süßen genutzt, sie würzen aber auch viele pikante Gerichte.