19. Dezember: Frauen erkunden den Orient

Isabelle Eberhardt (1877 – 1904)

‚Dennoch gibt es Landschaften, die der Tyrannei der Zeit zu entrinnen scheinen und sich fast unberührt erhalten: Sie allein sind in der Lage, auch den mattesten Seelen jenen Schauder und jene Trunkenheit zu geben, die sie auf immer verloren glaubten.‘

Isabelle Eberhardt wurde 1877 als Tochter von russischen Emigranten in Genf geboren. Die Begeisterung für den Orient, die Ende des 19. Jahrhunderts zahlreiche Europäer erfasste, zog auch Isabelle in ihren Bann. In der unruhigen Umgebung ihres Zuhauses erliegt Isabelle schon früh der Faszination der Wüsten Nordafrikas, der arabischen Kultur und dem Nomadenleben.

Ihre Tagebuchaufzeichnungen aus dieser Zeit zeigen, dass sie sich viel mit dem Islam beschäftigt und die arabische Sprache lernt. Ihr unerklärliches Verlangen gilt Nordarfika. Mit 20 betritt sie – endlich – in Algier arabischen Boden.

‚Welch ein glückseliges Gefühl, eines Tages mutig alle Fesseln abzuschütteln und mich symbolisch mit Stab und Bettelsack zu rüsten und einfach fortzugehen.‘

Aber sie muss erkennen, dass es ihr als Frau kaum gelingen wird, die Welt der Araber zu verstehen. Deshalb entschließt sie sich, sich als Beduine zu verkleiden und einen Männernamen anzunehmen. Hitze, Sand, Schmutz und Dreck bestimmen fortan ihr Leben.

‚Nomadin werde ich mein ganzes Leben lang bleiben, verliebt in wechselhafte Horizonte, in noch unerforschte Fernen, denn jede Reise ist eine Erforschung.‘

In den nächsten sieben Jahren durchstreift die Abenteuerin die noch weitgehend unerforschte Sahara.

‚Ich glaube, es gibt prädestinierte Stunden, höchst geheimnisvolle, privilegierte Augenblicke, in denen Landschaften ihre Seele enthüllen, in denen wir plötzlich die einzige, unauslöschliche Sicht begreifen.‘

‚Und jeden Tag stieg die selbe unerbittliche Sonne am Himmel auf, um der Erde ihre letzte Feuchtigkeit zu entziehen und ihr eifersüchtig zu verbieten, außerhalb ihrer eigenen launischen Spiele in den opalen Morgen- und den purpurn vergoldeten Abendstunden ein eigenes Leben zu führen. Sie schwimmt in einem Ozean aus karminroten Lichtern, die unmerklich mit dem Gold des Zenit verschmelzen.‘ (Isabelle Eberhardt, 1877 – 1904)

In ihren Zeitungsreportagen, Briefen und Tagebüchern zeichnet Isabelle Eberhardt ein detailgetreues, einfühlsames Bild von den Menschen der Region. Aus kritischer Distanz beobachtet sie das Agieren der französischen Kolonialmacht, mit der sie mehrmals in Konflikt gerät. Sie wird den Arabern immer ähnlicher, tritt zum Islam über und erreicht, dass sie akzeptiert wird. Fernab von jeglicher Zivilisation beschreibt sie, die Nomadin, immer wieder die Wüste, in der sie ihre glücklichsten Stunden verbringt.

‚Das ist mein wahres Leben, das Leben eines ungebundenen Geistes, der sich von tausend alltäglichen Zwängen befreit hat und der durstig ist nach einem Leben unter freiem Himmel und im hellen, schillernden Licht der Sonne.‘

Schließlich heiratet sie einen arabischen Offizier, bei dem sie die Geborgenheit sucht, nach der sie sich ein ganzes Leben lang gesehnt hat. Sie zieht mit ihm in ein kleines Wüstendorf, das im Herbst 1904 von sintflutartigen Regenfällen heimgesucht wird. Isabelle Eberhardt ertrinkt, als der Wadi von Ain-Sefra zu einem reißenden Fluss anschwillt, mitten in der algerischen Wüste.

‚Ja, ich liebe die Sahara! Ich liebe sie mit einer dunklen, geheimnisvollen, tiefen, unerklärlichen, aber durchaus wirklichen und unzerstörbaren Liebe.‘

‚Für den, der den köstlichen Reiz der einsamen Freiheit kennt, ist der Aufbruch der mutigste und schönste Akt der Welt.‘

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