Ein Strom wollte durch die Wüste zum Meer. Doch so schnell er auch in den Sand fließen mochte, seine Wasser wurden dabei aufgesogen und verschwanden.
Da hörte er eine Stimme, die aus der Wüste kam und sagte:
‘Der Wind durchquert die Wüste und der Strom kann es auch. Du musst dem Wind erlauben, dich zu deinem Bestimmungsort hinüberzutragen.’
‘Aber wie soll das zugehen?’ – ‘Indem du dich von ihm aufnehmen lässt.’
‘Aber kann ich nicht derselbe Fluss bleiben, der ich jetzt bin?’
‘In keinem Fall kannst du bleiben, was du bist!’, flüsterte die geheimnisvolle Stimme.
‘Was wahrhaft wesentlich an dir ist, wird fortgetragen und bildet wieder einen Strom.’
Und der Fluss ließ seinen Dunst aufsteigen in die Arme des Windes, der ihn willkommen hieß, sachte und leicht aufwärts trug und ihn, sobald sie den Gipfel des Gebirges erreicht hatten, wieder sanft herabfallen ließ. Schöner und frischer als je zuvor. (Weisheit der Sufi)
Eine sehr gute Möglichkeit, gelegentlich dem Stress zu entfliehen, besteht darin, bewusst die Stille zu suchen. Durch die Stille werden die Gedanken ruhiger, man kommt wieder runter und sieht Dinge danach oft klarer. Dazu eine kleine Geschichte, die es auf den Punkt bringt.
Eines Tages kamen zu einem einsamen Mönch einige Menschen. Sie fragten ihn:
„Was für einen Sinn siehst du in deinem Leben der Stille und Meditation?“
Der Mönch war mit dem Schöpfen von Wasser aus einem tiefen Brunnen beschäftigt. Er sprach zu seinen Besuchern:
„Schaut in den Brunnen. Was seht ihr?“
Die Leute blickten in den tiefen Brunnen: „Wir sehen nichts!“
Nach einer kurzen Weile forderte der Mönch die Leute erneut auf:
„Schaut in den Brunnen! Was seht ihr jetzt?“
Die Leute blickten wieder hinunter: „Ja, jetzt sehen wir uns selber!“
Der Mönch sprach:
„Nun, als ich vorhin Wasser schöpfte, war das Wasser unruhig. Jetzt ist das Wasser ruhig. Das ist die Erfahrung der Stille und der Meditation: Man sieht sich selber! Und nun wartet noch eine Weile.“
Nach einer Weile sagte der Mönch erneut: „Schaut jetzt in den Brunnen. Was seht ihr?“
Die Menschen schauten hinunter: „Nun sehen wir die Steine auf dem Grund des Brunnens.“
Da erklärte der Mönch:
„Das ist die Erfahrung der Stille und der Meditation. Wenn man lange genug wartet, sieht man den Grund aller Dinge.“
‘Ein jegliches hat seine Zeit’, heißt es in der Bibel. Wenn du den Text liest, wird dir vielleicht bewusst, dass hier jeweils die Gegensätze genannt werden. Beides gehört zum Leben, lachen und weinen. Wir möchten oft das eine, das andere nicht. Das ist nicht möglich. Hier der Text vom Prediger Salomon:
Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit;
pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit; heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit;
weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit; Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit;
herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit; suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit; behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit;
zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit; schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit; lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.
Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon. Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in das Herz der Menschen gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.
Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes.
Morgens nach dem Aufwachen kommt unsere Gedankenmaschine oft nur langsam in Gang. Beobachte in den nächsten Tagen, welche Gedanken dir gleich nach dem Aufwachen aufsteigen.
Gedanken wandern
Wenn wir uns nicht mit ganzer Kraft auf etwas Bestimmtes konzentrieren müssen (Auto fahren, Kochen), wandern unsere Gedanken umher. Versuche in den nächsten Tagen, das Wandern deiner Gedanken zu bemerken: Wohin wandern deine Gedanken dann?
Nimm drei Datteln (Apfelstücke, Rosinen, Mandarinenstücke). Nun esse diese drei Datteln hintereinander mit der größtmöglichen Achtsamkeit und Aufmerksamkeit.
Das heißt, du betrachtest erst einmal die Dattel, nimmst sie also mit den Augen wahr. Dann nehme den Geruch wahr, ihre Konsistenz kannst du ertasten und erst, wenn du das alles getan hast, nimm die Dattel in den Mund.
Kaue sehr langsam und bewusst, indem du auch dies genau wahrnimmst. Erst, wenn die Dattel ganz flüssig ist, schlucke sie und mache dir auch dies bewusst, wie die Dattel nun von der Mundhöhle durch die Speiseröhre in deinen Magen sinkt. Dann verfahre mit den beiden anderen Datteln genauso.
‘Wenn ich ein Arzt wäre und mich jemand fragte: Was meinst du wohl, was getan werden sollte? – ich würde antworten: Das Erste, die unbedingte Bedingung dafür, dass überhaupt etwas getan werden kann, also das Erste, was geschehen muss, ist: Schaff Schweigen, hilf anderen zum Schweigen!’
(Sören Kierkegaard)
‘Nun sei es, Menschlein, fliehe ein wenig die Beschäftigung mit dem Irdischen, verbirg dich ein wenig vor deinen lärmenden Gedanken, wirf deine lästigen Sorgen weg und setze deine mühseligen Zerstreuungen beiseite! Sei ein wenig für Gott da, ruhe dich ein wenig in ihm aus! Gehe in das Gemach deines Geistes hinein, schließe alles aus außer Gott und dem, was dir ihn suchen hilft. Suche ihn bei verschlossener Türe.’ (Anselm von Canterbury)
Achtsamkeit im Alltag ist gar nicht so schwer umzusetzen. Es gibt so viele Situation am Tag, die du wunderbar für eine achtsame Pause nutzen kannst. So zum Beispiel auch das Tee trinken.
Wichtig ist, dass du dir 20 Minuten nur für dich nimmst und in dieser Zeit Ruhe hast und nicht abgelenkt wirst. Auch ist es wichtig, dass du jeden einzelnen Schritt bei der Teezubereitung und beim Tee trinken ganz bewusst machst und versuchst alle Gerüche, Farben und Geräusche wahrzunehmen.
Schön, dann geht es los:
Koche dir als erstes dein heißes Wasser ab, im Wasserkocher oder im Topf. Beobachte hier auch deinen Körper beim Halten des Wasserkochers oder Topfes. Welche Muskeln werden beansprucht? Wie klingt das Geräusch, wenn das Wasser in den Wasserkocher oder Topf läuft? Welche Geräusche entstehen, wenn das Wasser immer heißer wird? Was kannst du beobachten und hören?
Sobald das Wasser gekocht hat, greife zu deinem Tee und öffne die Teedose. Was siehst du? Welche Gerüche kannst du wahrnehmen? Nach was riecht der Tee? Lass dir hierfür ausreichend Zeit und genieße diesen Moment.
Fülle dann bewusst deinen losen Tee in einen Teefilter und gieße den Tee in der Tasse mit dem gekochten Wasser auf. Was kannst du dabei beobachten? Wie verändert sich die Farbe des Wassers? Was kannst du riechen? Lass dir auch für diesen Schritt genügend Zeit.
Sobald der Tee lange genug gezogen hat, nimm deine Tasse Tee und mach es dir in deiner Lieblingsecke gemütlich. Vermutlich wird der Tee noch etwas zu heiß sein zum Trinken. Während des Wartens kannst du eine weitere Achtsamkeitsübung machen und zwar deinen Atem beobachten. Schließe hierfür deine Augen und achte darauf, dass du aufrecht sitzt. Nimm nur deinen Atem wahr, wie er in deinen Körper ein- und ausströmt. Bleibe mit deiner Aufmerksamkeit bei deinem Atem und beobachte, wie mehr und mehr Ruhe in dir einkehrt. Genieße dieses Gefühl der Entspannung.
Sobald dein Tee etwas abgekühlt ist, nimm deine Tasse und spüre die Wärme in deinen Händen. Trinke achtsam Schluck für Schluck deinen Tee und nimm dabei den Geschmack und die Wärme bewusst wahr. Beobachte, was der warme Tee mit deinem Körper macht und genieße das Tee trinken.
Am Ende kannst du gerne noch einmal deine Augen schließen und deinen Körper wahrnehmen. Wie geht es dir jetzt? Nimm wahr, was sich durch diese achtsame Teezeremonie verändert hat. Gerne kannst du dich dann noch bei dir selbst bedanken, dass du dir Zeit genommen hast, dich um deinen Körper und Geist zu kümmern.
Ein König war über die Maßen reich und freigiebig. Es verging kein Tag, ohne dass er aus seinem großen Vermögen allen, die es nötig hatten, reichlich ausgeteilt hätte. Und obwohl er viel gab, wurden seine Schatzkammern nicht leer. Jeden Morgen ging er in das unterirdische Gewölbe, in dem die Schatzkammern lagen. Bevor er aber mit dem Schlüssel öffnete, ging er zu einer Kammer, die zuhinterst lag und deren Tür als einzige Tag und Nacht bewacht wurde. So oft er die geheime Kammer öffnete, ließ er die Wache wegtreten, sodass niemand auch nur einen Blick hineinwerfen konnte. Dann schloss er die Türe hinter sich zu und blieb eine Stunde darin. Wenn er wieder herauskam, schloss er sorgfältig ab und rief erst dann die Wache wieder herbei. So geschah es Tag für Tag und Jahr für Jahr. Alle wussten es und verwunderten sich darüber. Viele flüsterten, er treibe im Geheimen Zauberei. Einige munkelten, er stehe mit dem Teufel im Bund und vermehre mit dessen Hilfe seine Schätze. Auch seine Familie vermutete, dass er irgendetwas Geheimnisvolles tue. Aber niemand wagte ihn zu fragen.
Als er alt geworden war, rief er eines Abends seinen ältesten Sohn zu sich und sagte zu ihm: ‘Ich bin alt und werde bald sterben. Du wirst nach mir König sein. Ich will dir nun das Geheimnis unseres Reichtums zeigen. Aber schwöre mir zuerst, dass du keinem Menschen etwas davon verraten wirst und es erst deinem Sohn wieder anvertrauen wirst, wenn du selber alt geworden bist.’ Der Sohn schwor es.
Dann nahm der König ihn mit sich und führte ihn in die geheime Kammer. Als sie eingetreten waren, blickte sich der Sohn nach allen Seiten um und griff dann erschrocken nach dem Arm des Vaters. Die Kammer war ganz leer. Der König fragte ihn: ‘Wovor erschrickst du? Was siehst du?’ Der Sohn antwortete: ‘Ich sehe nichts. Darum erschrecke ich.’ Der König sagte zu ihm: ‘Ich werde dich für diese Nacht hier einschließen und du sollst über die Kammer nachdenken.’ Der Sohn umklammerte entsetzt den Vater. Der aber umarmte ihn, löste sich von ihm und schloss ihn ein.
Als er am nächsten Morgen die Kammer öffnete und eintrat, sah er den Sohn am Boden liegen, den Mantel über den Kopf gezogen. Er hob ihn auf und fragte: ‘Worüber hast du in dieser Nacht nachgedacht?’ Der Sohn antwortete: ‘Ich konnte nichts denken. Aber ich werde diese Kammer zumauern.’ Der König erwiderte nichts und führte ihn hinaus. Am Abend schloss er ihn wiederum ein und sagte zu ihm: ‘Denke über die Kammer nach.’ Am anderen Morgen fand er den Sohn bleich und trotzig an einer Mauer gelehnt sitzen und fragte ihn wiederum. ‘Worüber hast du in dieser Nacht nachgedacht?, wollte der Vater wissen. Der Sohn antwortete: ‘Ich habe darüber nachgedacht, womit ich die Kammer füllen werde.’ Der König antwortete nichts und führte ihn hinaus. Am dritten Abend schloss er ihn abermals ein und sagte zu ihm: ‘Denke auch in dieser Nacht darüber nach!’ Als der König am nächsten Morgen in die Kammer eintrat, stand der Sohn vom Boden auf und rieb sich die Augen. ‘Worüber hast du diese Nacht nachgedacht?’, fragte der König. Der Sohn antwortete: ‘Ich weiß nicht, ich habe die ganze Nacht tief geschlafen.’
Da lächelte der König, umarmte ihn und sagte: ‘Dann hast du das Geheimnis der Kammer verstanden. Komm nun mit und hilf mir bei der täglichen Austeilung.’ Er schloss die Kammer sorgfältig zu und ging dann mit dem Sohn in die Schatzkammern und holte mit ihm heraus, was für den Tag nötig war.